Andreas Lugauer: In die Wirtschaft am zweiten Advent

»Ich gehe jetzt Bier trinken.

Meine Spezln, die Sauhund’, sind noch in der Kirche, aber wegen der Weihnachtsfeier gestern, es is’ ja zweiter Advent – ja Menschenskind, ham mir uns in der Boar die Rüscherln neipfiffn, ja do legst di nieder, Bluatsakrament! Dawei ham wir am Amfang, noch bevor d’ Wirtin ’s Weihnachtsschweinerne hergstellt hat, scho ein jeder vier Weißbier dringhabt – also wegen dieser Weihnachtsfeier – ›Wehrmachtsfeier‹, wie der Girgl im Spaß allweil sagt, ’haha! –, wegen dieser Weihnachtsfeier, die wie jedes Jahr sehr schön war, konnt’ ich da ums verrecken nicht aufstehn für die Kirchn, und jetz geh ich eimfach gleich zum Frühschoppen. Aber einmal geht das schon, wie’s bei uns gern heißt, mords einen Brand hab ich eh zum löschen. Außerdem ham wir uns ja gestern zur Weihnachtsfeier auch praktisch ad majorem Dei gloriam getroffen, zur größeren Ehre Gottes also, nicht wahr. Das kann man schon einmal als quasi vorgezogenen Gottesdienst betrachten, nicht wahr, schließlich hat’s auch Weihnachtsgebäck und einen Christbaum gegeben und die Grundschüler ham gesungen, und einen Weihnachtspunsch hat’s auch geben, aber von dem trinkst am besten bloß eine Tass’, weilst sonst a so Sodbrennen kriegst. Naa naa, der Herrgott hat, glaub ich, schon ein Verständnis dafür, daß wir auf ihn mit einem Weißbier anstoßen bzw. mit sechzehn. Die eine Tass Wehrmachts-…, zefix, jetz fang ich auch schon damit an, die eine Tass’ Weihnachtspunsch ist aber auch gar nicht verkehrt, weil dazu kann man dann auch ein paar Platzerl essen, weil des süße Zeug paßt ja zum Weißbier eimfach nicht dazu, weil es sich geschmacklich eimfach beißt. Aber jetz halten S’ mich nicht länger auf, weil ich einen solchernen Brand hab, und wenn ich jetzt nicht gleich meine Konterhalbe krieg, dann konst an Sanka ruaffn, weil ich’s dann nimmer daback. Oiso, schöna Sonntag Ihnen, gell!«

Liebe Hörer*innen und Hörer, weil dieser Bericht von mancher und manchem, die des Bayerischen nicht in zertifikatwürdiger Weise mächtig sind, womöglich nicht ganz verstanden worden ist, haben wir als kostenlosen Service den stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten, Hubert Aiwanger, zu uns ins Studio eingeladen. Er wird Ihnen den Text nun noch einmal im besten Hochdeutsch vortragen, zu dem er fähig ist:

»Ich gehe jetzt Bier trinken.Meine Freunde, die Sauhunde, sind noch in der Kirche, aber wegen der Weihnachtsfeier gestern, es ist ja zweiter Advent – ja Menschenskinder, haben wir uns in der Bar die Rüscherln hineingepfiffen, ja da legst du dich nieder, Blutsakrament! Dabei haben wir am Anfang, noch bevor die Bedieung das Weihnachtsschweinerne auf den Tisch gestellt hat, schon ein jeder vier Weißbier drinnen gehabt – also wegen dieser Weihnachtsfeier – ›Wehrmachtsfeier‹, wie der Georg im Spaß immer sagt, ’haha! –, wegen dieser Weihnachtsfeier, die wie jedes Jahr sehr schön war, konnte ich da ums Verrecken nicht aufstehen für die Kirche, und jetzt gehe ich einfach gleich zum Frühschoppen. Aber einmal geht das schon, wie es bei uns gerne heißt, einen sehr großen Brand habe ich eh zu Löschen. Außerdem haben wir uns ja gestern zur Weihnachtsfeier auch praktisch ad majorem Dei gloriam getroffen, zur größeren Ehre Gottes also, nicht wahr. Das kann man schon einmal als quasi vorgezogenen Gottesdienst betrachten, nicht wahr, schließlich hat es auch Weihnachtsgebäck und einen Christbaum gegeben und die Grundschüler haben gesungen, und einen Weihnachtspunsch hat es auch geben, aber von dem trinkst du am besten bloß eine Tasse, weil du sonst solches Sodbrennen kriegst. Nein nein, der Herrgott hat, glaube ich, schon ein Verständnis dafür, dass wir auf ihn mit einem Weißbier anstoßen bzw. mit sechzehn. Die eine Tasse Wehrmachts-…, zefix, jetzt fang ich auch schon damit an, die eine Tasse Weihnachtspunsch ist aber auch gar nicht verkehrt, weil dazu kann man dann auch ein paar Plätzchen essen, weil dieses süße Zeug passt ja zum Weißbier einfach nicht dazu, weil es sich geschmacklich einfach beißt. Aber jetzt halten Sie mich nicht länger auf, weil ich einen so großen Brand habe, und wenn ich jetzt nicht gleich meine Konterhalbe kriege, dann kannst du den Notarztwagen rufen, weil ich es dann nimmer derbacke. Also, schönen Sonntag Ihnen, gell!«

Andreas Lugauer: Das Videospiel der Kläranlage

2000 muss es gewesen sein, als ich in den großen Ferien zwischen achter und neunter Klasse zwei Wochen lang beim Gemeindebauhof arbeitete. Also bei derjenigen Einrichtung, die sich um alles, was im Ort so anfällt, «kümmert».
Zugeteilt war ich dabei dem Hermann. Hermann war Mitte 40 und Mitglied beim örtlichen Trinkverein «Fort Dimple» (Kenner kennen den gleichnamigen Whiskey). Da kam es sonntagnachts schon mal vor, dass er diesen als einer der letzten verließ mit den erstaunten Worten: «Ah ja, morgen ist ja Montag!»
Beim Bauhof war er zuständig u.a. fürs Mähen der örtlichen Grünanlagen sowie die Überwachung der gemeindlichen Kläranlage.
Am ersten Tag, an dem ich dort arbeitete, war er wohl etwas damit überfordert, dass ihm plötzlich ein Partner an die Seite gestellt wurde. Mit einem Einsatzfahrzeug des Bauhofs fuhren wir als erstes zur Kläranlage. Er wollte dort wohl anfangs der Woche mal wieder nach dem Rechten sehen.
Dort angekommen sollte ich mich zunächst einfach zu ihm ins gute Stübchen setzen, wo sein Kläranlagenwärterschreibtisch stand, ein Busenkalender hing und im Nebenraum die ganzen elektonischen Viktualienschränke für die Steuerung der Kläranlage aufgebaut waren. Weiter gab’s dann gerade nichts, einfach warten, bis sich was zu tun auftut.
Plötzlich ein Anruf. Hermann musste ausrücken, er wurde irgendwo gebraucht kurz. Mitzukommen brauche ich nicht extra, ich könne hier warten. «Da drüben in der Garage steht ein Besen – wenn jemand kommt, tust du halt so, als würdest du den Hof zusammenkehren.» Ich schwöre, ich lüge nicht! Die Anweisung lautete, so zu tun, als würde ich den Hof zusammenkehren.
Wenn mir jedoch langweilig werden sollte, dann könne ich ja was spielen. Und damit leitete Hermann DAS UNGLAUBLICHE ein: Wir gingen in den Nebenraum mit den Schaltschränken der Kläranlagensteuerung, wo er mir deren Farbdisplay zeigte. Dort drückte er ein bisschen herum und rief plötzlich ein Computerspiel auf. Kein Witz, ich schwöre!
Es war so ein altes Vierfarbspiel, in dem man ein Unterseeboot von links nach rechts durch einen Tunnel steuern musste und allerhand von oben und unten in die Fahrbahn ragenden Felsen auszuweichen hatte. Gewalt gab’s meiner Erinnerung nach keine, d.h. keine Gegner, die einen angriffen und auszuschalten waren oder so.
Jedenfalls dachte ich: «Geil ey, hoffentlich bleibt Hermann recht lang weg!», und aber auch: «Ich pack’s nicht mehr ey, das ist hier die Steuerung der Anlage zur Klärung der Gemeindescheiße, und da ist ein verdammtes Computerspiel drauf!» Videospiel sagte ich nie, immer nur Computerspiel oder, obwohl recht sperrig auszusprechen, Playstationspiel.
Auf den Gedanken, das Spiel zu beenden und Quatsch mit der Kläranlage anzustellen, kam ich leider nicht. Aber ich wollte ja beim Unterwasserspiel möglichst weit kommen! (Wie weit ich kam, weiß ich leider nicht mehr.)
Bevor Hermann wieder kam, schaute ich mir auch noch den Kalender an übrigens. Ein Glück, dass die Monate Januar–Juli nicht abgerissen, sondern nach hinten geklappt waren. Ob er «gut» war, weiß ich auch nicht mehr.
Ach, wo ich hier schon beim Erzählen bin, interessiert vielleicht die ein oder andere da hier auch noch: An einem anderen Tag nahm Hermann mich mit zum Rasenmähen. Er war derjenige, der mit dem coolen Rasenmähfahrzeug (mit Führerkabinchen!) seine Runden über die Fußballplätze zog. Dessen Lenkrad hatte so einen Knopf drauf, mit dem man so lässig einhändig lenken konnte.
Meine Aufgabe war es, mit dem Normalmäher (na toll!) die Stellen zu mähen, wo er nicht hinkam. Das war schnell erledigt und so ging ich zu ihm hin, um zu fragen, was ich nun tun solle. Dass ich «mal fahren» dürfe, sagte er leider nicht, aber: Ob ich eine Halbe Bier möge. Wie alt ich sei, 14, «ja OK, aber du musst mir versprechen, davon nicht betrunken zu werden.»
Das versprach ich ihm glatt und saß sogleich mit einer Halben Karmeliten Klostergold auf einer Bank.
Ein andermal waren die Rasen auf den örtlichen Kreisverkehrinseln zu mähen. Hermann fuhr mich zu den Inseln hin, wir luden alles ab, dann fuhr er wieder und beschied mir vorher: «Mähst alles fertig und wartest dann halt, bis ich dich wieder hole.» Naja, so Inseln sind schnell gemäht, Hermann ließ sich aber immer gut Zeit. Und so saß ich dann leicht mal 20–30 Minuten auf einem dieser halbmeterhohen Kreisverkehrbegrenzungssteine herum und langweilte mich fürchterlich. Es gab damals ja noch kein mobiles Internet, wie wir es heute kennen! Und deswegen – hier schließt sich der Kreis und schießt alles zusammen, Freunde – kann ich auch leider keinen Screenshot posten heute.
Ach, und einmal durfte ich sogar einen der Rasenmäher steuern, die einen Antriebsmotor hatten. Aber das ist eine andere Geschichte. (Offenlegung: Dazu fällt mir jetzt nichts Interessantes ein.)