Elmar Tannert: Innerer Monolog eines Kaffeetrinkers

… jeden Abend dasselbe … ich bin so müde … aber ich kann nicht schlafen … nicht einschlafen … das kommt vom Kaffee … nein, das kommt nicht vom Kaffee … Kaffee trink ich nur in der Früh … den brauch ich … sonst komm ich nicht in die Gänge … heute früh war ich so müde … viel zu wenig geschlafen … und dann um sieben aufstehen … das geht nicht ohne Kaffee … zwei Tassen … schwarz … aber das reicht dann auch … erstmal … dann komm ich ins Büro … und im Büro läuft immer die Kaffeemaschine … irgendjemand schaltet die immer ein … Frau Kramer schaltet die immer ein … dabei trinkt die daheim auch schon Kaffee … genau wie die anderen … aber trotzdem macht sie immer Kaffee für alle … und dann bietet sie ihren Káffe* an … Káffe sagt die immer … dieses Káffemonster … dabei heißt das Kaffée … und ich sag jedes Mal „ja“ … warum sag ich jedes Mal „ja“? … mir reichen meine zwei Tassen Kaffee am Morgen … aber ich kann den anderen einfach nicht beim Káffetrinken zusehen … jetzt sag ich selber schon Káffe statt Kaffée … Kaffée heißt das … morgen werd ich sagen, ich nehm koffeinfreien … nein, das mach ich nicht … sonst denken alle, ich bin herzkrank … und außerdem, ohne Koffein hat der Kaffee gar keinen Sinn … dann braucht man überhaupt keinen Kaffee trinken … ohne Koffein hat der Kaffee keinen Sinn … da gibt’s doch ein Lied … “was hat der Kaffee für an Sinn ohne Koffein“ … das singt irgendein Österreicher … Peter Alexander … Quatsch, der war‘s nicht … aber ein Österreicher war‘s … nein, der Franz Morak auch nicht … aber natürlich ein Österreicher … die trinken dauernd Kaffee … aber das merken die gar nicht … weil die immer Melange bestellen … und Einspänner … Franziskaner … kleine Braune … große Braune … a Schalerl Gold … aber Kaffee bestellen die nicht … deswegen können die Österreicher ruhig schlafen … aber ich kann nicht schlafen, weil ich kein Österreicher bin … dabei trink ich Kaffee nur am Vormittag … ab Mittag trink ich keinen Kaffee mehr … bloß einen Cappuccino nach dem Essen … mit viel Milch … sonst kann ich nicht schlafen … ich schlaf eh immer so schlecht in letzter Zeit … immer Termine … Termine jeden Tag … alle sind so hektisch den ganzen Tag … das kommt vom Kaffee … nein … das kommt nicht vom Káffe … heißt das jetzt Káffe oder Kaffee? … egal … ich kann nicht schlafen … der Kaffee am frühen Abend … der ist gefährlich … egal, ob er Káffe oder Kaffee heißt … aber ich hab am Abend gar keinen Kaffee getrunken … bloß einen Latte Macchiato … das ist gar kein richtiger Kaffee … aber einen Kaffee trinken und dann gleich ins Bett … das geht … da merkt man nichts … hab ich schon öfter gehört … ja … das probier ich jetzt aus … ich steh nochmal auf … und mach mir einen Kaffee …

Markus Nondorf: Der Tod kommt zum Kaffee

A: Guten Morgen! G U T E N Morgen!
B: Wie, was, schon aufstehen?
A: Ob das noch nötig sein wird, ist die Frage.
B: Wer bist Du, äh ich meine, wer sind Sie? Und was wollen Sie von mir?
A: Ich denke , wir können ruhig beim Du bleiben!
B: Ah, ja, gut, dann, wer bist du, ich meine, wie heißen Sie?
A: Du, wie heißt Du, wir waren beim Du.
B: Ja, gut, also wie heißt DU?
A: Das kannst Du dir aussuchen.
B: Häh?
A: Naja, wenn man sich sein Schicksal schon nicht selber aussuchen kann, so darf man es doch wenigstens selbst benennen. Du bist also völlig frei ihr einen Namen deiner Wahl zu geben. Du darfst mich nennen, wie du willst?
B: Auch Rumpelstilzchen?
A: Auch Rumpelstilzchen! Wenn Du das unbedingt möchtest, aber wir sind hier nicht bei den Gebrüdern Grimm, sondern in der Gertrudstrasse beim Weltuntergang.
B: Beim was?
A: Beim Weltuntergang, oder was dachtest Du, warum ich hier bin? Um dein Geschirr
abzuwaschen sicher nicht, obwohl mir das durchaus als notwendig erschiene.
B: Gut, du könntest auch das Bad putzen!
A: Die Zeit für schlechte Scherze schwindet schleunig. Und ein blitzendes Bad ist jetzt auch nicht mehr von Belang.
B: Also, du willst weder Geschirr spülen noch Bad putzen, ich nehme daher nicht an, dass du dich als Haushaltshilfe bewerben möchtest. Was also ist dein Begehr, was kann ich für dich tun?
A: Du könntest es mir Lichter machen und ohne Fragen zu stellen und ohne Spirenzchen zu machen mit mir kommen. Das tun nämlich die wenigsten.
B: Wohin?
A: Mist!
B: Was?
A: Jetzt hast Du schon die erste Frage gestellt.
B: Ja und?
A: Na ich sagte doch grade, dass es sehr nett von dir wäre, keine. Zu stellen, und dass du dann zu einem kleinen elitären Zirkel, dem Zirkel der Fraglosen, gehörtest.
B: Das mit dem Zirkel hast du nicht gesagt. Und außerdem hab ich ich dich vorhin schon nach deinem Namen gefragt.
A: Ja, aber das zählt nicht! Nach dem Namen fragen alle, auch die Fraglosen. Und außerdem musst du ihn dir ja sowieso selbst aussuchen. Das gehört zum Spiel dazu.
B: Welches Spiel?
A: Wie man halt so sagt, das gehört zum Spiel, oder das ist des Pudels Kern, oder die Axt im Haus…
B: Willst du mich jetzt foppen oder was? Wird das hier ein lustiges Zitateraten ? Hast du mich deswegen geweckt?
A: Nein, ich habe dich geweckt, weil in den nächsten Stunden, Minuten oder Sekunden der Weltuntergang stattfindet. Und somit musst auch Du mit!
B: Ich? Mit? Zum Weltuntergang? Ne ne, meine Liebe, ich bleib schön zu Haus. Ich hab extra frische Garnelen eingekauft, die gibt es nachher mit Knoblauchsahnesosse und einem herrlichen Pinot Grigio. Und wenn du nett bist, geb ich dir auch gern ein Tellerchen ab. Mit frischem Parmeggiano!
A: Du glaubst doch wohl nicht dass ich mich bestechen lasse! Der Trick funktioniert seit dem Brandner Kaspar nicht mehr. Ausserdem mag ich kein Knoblauch.
B: Ertappt: du bist ein Vampir.
A: Haha! Hier, siehst du?
B: Was?
A: Hgrrrr….schon wieder eine Frage! Aber nein, guck doch, keine spitzen Eckzähne, im Gegenteil ein Spitzengebiss, sozusagen makellos! Ich rieche nur nicht gern danach. Schließlich muss ich ja auch Männer abholen. Und die versuchen vorher immer noch zu flirten. Und da hilft es, wenn man nicht schlecht riecht- Hhhhhhhh…..siehst du? Äh riechst du?
B: Ich rieche nichts!
A: Eben! So muss es sein. Kein Mundgeruch! Das schafft Vertrauen, hast du Vertrauen?
B: Ich kenn dich ja noch gar nicht wirklich, erst seit ein paar Minuten und seitdem redest du auch nur merkwürdiges Zeug. Und ich weiß immer noch nicht, wie du eigentlich heißt!
A: Ich sagte doch: wie du willst.
B: Wie jetzt? Die heißt: Wieduwillst? Komischer Name.
A: Ich heiße wie DU willst, oder wie du möchtest, oder wie du es gern hättest, dir du wünschst, wie man halt so sagt! Also: verdammt nochmal! Entschuldigung. Ich soll eigentlich nicht fluchen, aber damit wir hier endlich weiterkommen: such dir gefälligst einen Namen aus für mich!
B: Na gut, ich nenne dich….ich nenne dich….achneeee , hast du denn keinen eigenen Taufnamen? Was steht denn in deiner Geburtsurkunde?
A: Ich bin nicht geboren.
B: Wie was? Nicht geboren? Aber du musst doch irgendwie auf die Welt gekommen sein. Wie hießen oder heißen denn deine Eltern?
A: Du sollst verdammt nochmal – Entschuldigung! – nicht so viele Fragen stellen. Es ist, wie es ist.
B: Und wie ist es?
A: Wie ist was?
B: Das frag ich dich.
A: Ach ja, gut…. Du musst einfach mitkommen. Wenn du deinen Tod benannt, hast, gibst du mir deine Hand, deine Seele, dein Herz und wir gehen—-
B: Wohin?
A: iiiihhh neee, schon wieder diese Frage! Jede und jeder und aber wirklich ALLE stellen diese Frage.
B: Logisch!
A: Logisch aber trotzdem sinnlos?
B: Großes Fragezeichen!
A: Weil ich es selber nicht weiß! Ich hole dich ab…und nach einer Weile gehst du allein weiter und ich bleib wieder allein zurück. Immer bleib ich allein. So und jetzt mach, bin mir einen Namen und dann gehen wir.
B: Und wenn ich dir keinen gebe?
A: Dann muss du mich einfach so nennen, wie es geschrieben steht. Gevatter oder Herr Tod oder Frau Tod oder Tod oder halt Tod.
B: DU bist der Tod?
A: Ich bin DEIN Tod. Dein ganz eigener ganz persönlicher Tod.Und heut hol ich dich ab.
B: Warum?
A: Auf diese Frage antworten wir Tode nicht..aber heute… Heute ist Weltuntergang.. Da gehen alle, die da sind.
B: Nenenneneneneeeee soooo nicht! Ich bestehe auf einen individuellen, schicksalshaften, erinnerungswürdigen, einzigartigen Tod…. Ich geh doch nicht, weil alle gehen. Nené, da musst du dir was besseres ausdenken. Von einem wahnsinnigen Liebhaber erschossen werden, das ist okay. Da geh mit, meine Liebe..aber ein Weltuntergang? Ne, das ist mir zu billig. Da mach ich nicht mit. Da kannst du dir eine Andere suchen..
A: Geht nicht! Ich bin dir dir zugeteilt ich habe 52 Jahre auf dich gewartet… Heute morgen kam die Depesche: „Abholen! Weltuntergang!“
B: Als jetzt hör mal zu, Kleine! Ich hab nicht die Absicht, irgendwo hinzugehen, wo ich nicht weiß, was mich da erwartet, nur weil irgendwer eine Depesche mit „Weltuntergang“ herausgibt. Und wieso überhaupt? Kannst dur mir wenigsten sagen, was los ist?
A: Trump!
B: Wie, „Trump“?
A: Trump ist los! Er hat die Codes geöffnet.
B: Welche Codes?
A: Für die Koffer! Mit den Knöpfen, für die Bomben. Und jetzt sitzt er da und ist im Begriff drauf zu hauen und schreit andauernd: Weil ichs kann, weil ichs kann!
B: Mir wird das alles jetzt zu blöd, ich mach mir jetzt erstmal einen Kaffee! Egal ob sich das lohnt. Du auch? Milch? Zucker?
A: Schwarz!
Ende

Gymmick: Hornhaut

Ich hab mich schon seit Tagen nicht mehr rausgetraut
Dabei bin ich eigentlich mutig und erwachsen
Aber hast du heute schon mal aus dem Fenster geschaut?
Dann beeil dich mal, bald sind sie zugewachsen.

Die Straßenbahn kann nicht mehr fahrn seit Donnerstag
Und der Krisenstab tagt jetzt auch nachts
Und so seltsam es sich anhören und erst ausschauen mag:
Es scheint, als als wäre dies der Menschheit letzte Schlacht.

Alles voll Hornhaut
Ob man nach hinten oder vorn schaut
Überall Hornhaut.

Man sagt es käm Aus Tralien oder Portugal
Laut einer Brüsseler Analyse.
Aus welchem Land es stammt ist eigentlich längst egal
Fest steht: am Anfang war ein paar sehr kranke Füße

Die Landschaft schaut jetzt farblich wie ein Ferkel aus
Da wilde Hornhaut Feld und Flur befällt
Das ist der allergrößte aller Supergaus
Rosige Zeiten habe ich mir immer anders vorgestellt

Dermatologen logen, als sie meinten: „halb so wild.“
Jetzt sieht man sie auf n-tv sich verhaspeln
N24 zeigt derweil die Bundeswehr
Bei ihrem Einsatz an den Hornhautraspeln

Es gibt kein anderes Thema mehr im Bundestag
Die A9 wurd heut beidseitig gesperrt.
Das Militär plant ziemlich einen Gegenschlag
Es geht nicht weg ob man drauf schießt oder dran zerrt

Man warnte uns vor Viren oder Hurrikans
Vor Terror und vor Mafia-Fehden.
Vorm Klimawandel, Waffenhandel,
Mückenstichen, Möbelstücken,
Flüchtlingsfluten, Weizengluten,
Glyposaten, Unrechtsstaaten,

doch von Hornhaut hört ich niemand reden.