Matt S. Bakausky: Heilbringender Müll

Meine Wohnung ist voller Müll.

Ein Freund ist jemand, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Müll zu verwerten. Ich sitze mit Schal um den Kopf und einer Sonnenbrille vor den Augen, auf dem Bett und jammere. Der Freund macht sich Kaffee, ich mir Tee. Er spült ab.

Der Freund packt riesige Mülltüten. Er versucht mich zu motivieren, mitzumachen. Die anderen soll ich vergessen. Er fragt mich, was ich so denke und ich sage ihm, dass ich nur denke, wenn ich rede. Sonst ist mein Kopf leer. Wir bringen den Müll gemeinsam runter.
Die Mantras aus dem Handy waren nervtötend und wir haben sie ausgemacht. Aber manchmal ist die Stille und ein Gespräch besser ohne musikalische Begleitung.

Ich sehe meinen Freund im Müllcontainer stehen, so drückt er das Altpapier zusammen. Dann möchte er das Pfand zurückbringen. Ich weigere mich. Beklage mich, dass es mir dreckig geht, dass Licht mich blendet, dass ich voll fertig bin. Dann ist mir klar. Der gibt nicht auf.

Er meint, es würde helfen. Sich um sich zu kümmern, seine Wohnung aufzuräumen. Also muss ich wohl mit.

Im Supermarkt gibt es einen Automaten, er nimmt fast alle Flaschen an. Nur zwei große Glasflaschen bleiben übrig. Der Typ kennt mich besser als ich mich kenne, sucht mir ein Getränk aus und etwas zu essen für morgen früh. Mein Lieblingseistee vom Dönerverkäufer, Bananen, Brot, Fleischsalat und Zwiebelwurst. Bei der Zwiebelwurst frage ich ihn, ob er meinen Müll durchsucht hätte. Ich weiß es selbstverständlich besser. Er kennt mich. Nachdem alles bezahlt ist, bekommen wir sieben Euro, siebenundsiebzig Cent Rückgeld, eine Glückszahl aus der Welt des Casinos.

Die Querdenker Demo ist jetzt um die Ecke bei mir angekommen. Polizisten laufen vorbei. Der Meister hilft mir, den Querdenkern zu verzeihen, sodass sie mich in Frieden lassen. Sie schreien mit einer lauten Stimme, man sieht nur blaues Licht von der Polizei und die Stimme ist komplett unverständlich. Ich sage zum Meister, dass sie Lügen und deshalb unverständlich sind. Ich weiß natürlich besser, dass sie nicht zufällig hier sind.

Wieder zu Hause hat mir der Freund einen Sessel leer geräumt, auf dem ich sitze und ich erzählen ihm wie es mir geht. Ich fange an zu weinen. Sage, dass ich beim letzten Mal ganz alleine war und die ganze Welt gegen mich, jetzt hätte ich jedoch Freunde, die mich beschützen. Ich erzähle, dass zurzeit die Psychiatrien zu sind und deshalb die Verrückten draußen herumlaufen und hinter mir her wären. Ich weine. Er umarmt mich, ist für mich da. Ich weine noch mehr. Dann muss er los, weiter arbeiten.

Er empfiehlt mir schlafen zu gehen und längere Texte zu schreiben. Er erzählt Geschichten von jemanden, der eine Reinigungskraft hat und dass man sich gegenseitig helfen muss. Verabschiedung mit Bro-Faust.

Ich sitze vor der Schreibmaschine. Und vor mir steht der kopflose Buddha als Figur und davor ein kleines Mädchen im Kleid aus Plastik ohne Kopf.

Das hat der Meister für mich im Müll auf der Straße gefunden. Wir sprechen nicht darüber, wer wir sind, denn wir wissen es. Wir kennen das Verhältnis. Eine Hand wäscht die andere.

Auf der Handyhülle – beinahe schon entsorgt und vom Meister gerettet – steht „One Love“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert