Margit Heumann – Grünes Freud und Leid

Mit dem Umzug aufs Land hatte ich plötzlich einen Garten, der bisher von der Mitbewohnerin akkurat bebaut worden war. Sie war froh, nur noch die Hälfte zu haben, und ich freute mich darauf, ökologisch wertvolles Gemüse und ein paar Blumen selbst zu züchten.

Im März konnte ich es kaum erwarten, mit dem Pflanzen zu beginnen. Ich teilte die Beete ein, ziemlich provisorisch, aber darauf kam es nicht an, dann zog ich eine Furche mit dem Hackenstiel und säte oder pflanzte in diese Rinne. Als ich fertig war, betrachtete ich zufrieden mein Werk. Keine Frage, alles war wohl gelungen. Nur im Vergleich mit Frau Langs Hälfte sah es ziemlich laienhaft aus. Ihre Beete waren genau rechtwinkelig, die Setzlinge in einer schnurgeraden Reihe mit genau gleichem Abstand. Später fand ich heraus, wie sie das machte: Sie hatte einen Meterstab für die Anlage dabei, sie spannte Schnüre für gerade Rinnen, sie hatte ein Stöckchen als Abstandsmaß zwischen den Pflanzen. Damit konnte ich nicht konkurrieren.

Mit dem Frühling begann auch die Saison in meinem Reitbetrieb. Zäune waren zu reparieren, Stuten kamen zum Decken, die Reitschüler wollten Unterricht und die Berittpferde Ausbildung. Der Garten geriet ins Hintertreffen. Oft saß ich bis spät abends auf dem Pferd, vergaß das Gießen oder hatte einfach keine Lust mehr. Zum Ausgleich stand ich dann mal wieder eine halbe Stunde mit dem Gartenschlauch da und ertränkte alles. Zum Jäten kam ich nur alle heiligen Zeiten, und wenn noch ein mehrtägiges Turnier oder eine Reitwoche auswärts dazu kam, schoss das Unkraut in die Höhe, dass es über den Nutzpflanzen zusammenschlug. Der Unterschied zu Frau Langs Hälfte wurde noch offensichtlicher: Bei ihr wurde kein Unkräutchen höher als zwei Zentimeter, bei ihr wurde zur richtigen Tageszeit und ganz gezielt mit der Gießkanne jedes einzelne Pflänzchen befeuchtet. Der Anblick ihres gepflegten Gartens deprimierte mich schrecklich.

Manche Pflanzen waren so robust, dass sie meine Pflegeattacken ziemlich unbeschadet überstanden. Die Zeit der Ernte kam. Über Wochen ernährten wir uns von verlaustem Salat, wurmigen Radieschen und winzigen Erdbeeren. Erntezeit schien nicht kompatibel mit Reitbetrieb, die Bohnen waren reif, als ich das Vereinsturnier vorbereitete, die Tomaten während einer dreiwöchigen Fortbildung, und ehe ich es bemerkte, war der Blumenkohl von Raupen zerfressen. Frau Lang dagegen ging jeden zweiten Tag ihr Gemüse durch und erntete die reifen Früchte, und der Blumenkohl wurde mit großen Blättern abgedeckt, sobald die ersten Kohlweißlinge auftauchten.

Ich war richtig erleichtert, als ich im Herbst den Garten leer räumen konnte. Nächstes Jahr, das nahm ich mir fest vor, sollte es anders laufen. Tat es natürlich nicht, und nach ein paar erfolglosen Versuchsreihen stellte ich den Gemüseanbau ganz ein und säte Grassamen aus. Ein Rasen war pflegeleichter, vor allem deswegen, weil ich meinem Mann das Mähen aufs Auge drücken konnte.

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