Daphne Elfenbein: Casino

„Du gehst heute Abend nicht da hin!“ Sie haute die Faust auf den Tisch, dass die Weihnachtsdeko hüpfte. „Oder ich verlass dich!“ Es war still. Gleich würde eine Tür schlagen. Er stand in der offenen Badezimmertür und füllte ein Glas mit Wasser. Sie saß am Küchentresen. Er kramte im Spiegelschrank, warf sich ein paar Aspirin ein, kippte das Wasser runter und zog seinen Mantel an. „Du siehst aus wie ein Penner“, sagte sie. „Danke, das ist charmant von dir, sagte er leichthin, „ich geh heute zum letzten Mal, Liebes, glaub mir“. Er kratzte sich die Bartstoppeln, strich seiner Frau zerstreut über den Kopf, worauf sie in haltlosem Schluchzen über dem Tisch zusammensank. Dann drückte er sanft die Tür ins Schloss und atmete auf. 

In Erwartung eines sicheren Hochgefühls schwebte er durch die Straßen mit seinem Leihwagen. Den eigenen hatte er verloren in jener denkwürdigen Pechsträhne letztes Jahr. Doch da war er noch ein blutiger Anfänger gewesen. Das würde er heute wettmachen… heute Abend… Und morgen hör ich auf damit! Susanne zuliebe! Eine Welle von Rechtschaffenheit und Wohlbehagen schwemmte sein schlechtes Gewissen weg. Alles wird gut. Die Ampel sprang auf grün. 

Der Wagen hielt vor dem Casino. Er hielt sein pochendes Herz, als die Türsteher ihren Stammkunden flüchtig nach Waffen abtasteten. Dann trat er ein in die Räume, die schon immer sein ureigenstes Element waren. Warmes Licht umfing ihn, Parfums und leichte Musik, da waren Frauen mit nackten Schultern und alte Damen mit kleinen weißen Hündchen auf dem Arm, Behandschuhte Schönheiten hielten lange spitze Zigaretten und befrackte Herren bedienten sich einer gewählten Sprache. Die Roulettescheiben klepperten wie die Uhrwerke Gottes. Die Croupiers murmelten Zauberformeln. Die Kronleuchter glänzten. HOME!! 

In der einen Hand hielt sie eine Rasierklinge, in der anderen Hand das Telefon. Auf ihrem Schoß lag ein Handtuch, in das Rotz und Wasser flossen. Am Telefon Christine, die beruhigend auf sie einsprach. Die Dialoge kennt man. Sie werden hier nicht wiederholt. Es wurde spät. Und ein paar Baileys halfen über den Schmerz hinweg. Am nächsten Morgen, an dem sie allein erwachte, sah Susanne ihrerseits wie eine Pennerin aus. Rot geschwollene Augen glotzten ihr aus dem Badezimmerspiegel entgegen. Es war noch Aspirin da. Sie öffnete die Behördenpost der letzten Wochen und nahm all ihren Mut zusammen um hin zu schauen. Da war was von der Arbeitsagentur, vom Inkassobüro, von der Hausverwaltung…

Gegen 11 Uhr vormittags ging die Türglocke. Sie öffnete. Da stand ein Fremder, der einmal Frank gewesen war. Er grinste blöde aus übernächtigtem Gesicht und hatte ein albernes weißes Hündchen auf dem Arm. „Ich hab gewonnen!“ rief er und hielt ihr ein Bündel Geldscheine entgegen, die irgendwie falsch aussahen. Sie glotzte müde auf die Erscheinung und machte keine Anstalten, ihn hereinzulassen. „Spitz hat mir geholfen“, er deutete auf den Hund in seinem Arm und stellte einen Fuß in die Tür. Der Hund sprang runter und lief in die Wohnung, als gehöre sie ihm. Frank krähte künstlich fröhlich wie zu sich selbst: „erst hab ich Spitz gewonnen, dann hat Spitz gewonnen!“ Er drängte sich an ihr vorbei in die dunkle, unaufgeräumte Wohnung, die schon Jahre keinen Besuch mehr empfangen hatte. Sie folgte ihm schleppend in ihrem Bademantel. 

„Und heute Abend gehen wir wieder hin…, rief er aus dem Badezimmer, wo er den Wasserhahn aufdrehte, „Spitz und ich!“ Susanne holte den Koffer vom Schrank, packte als erstes ihre Weihnachtsdeko vom Küchentresen ein, und wählte die Nummer von Christine. Der Hund hockte vor der Badezimmertür.

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