Eisenbart und Meisendraht ist das Literaturvermittlungsmagazin für geschundene Seelen. Jeden Monat wird ein neues Thema von unserem Schriftsteller*innenpool beackert und hernach in Radiowellen (Z) transformiert, in den Pod geschmissen und hier im Internet kybernetisch in den space gepresst.
Diese Seite ist gut, denn sie bietet eine einwandfreie Möglichkeit, in allen Beiträgen herumzustöbern, die im Rahmen von EB&MD veröffentlicht worden sind.
Aktuelle Themen
Neue Textbeiträge
Felix Benjamin: Scheitern als Chance
Jetzt ist Erik oben in seiner Wolke und es tut nichts mehr weh. Von hier oben ist der blaue Planet ganz klein und unbedeutend. Klein und unbedeutend ist auch die Spezies, der seine Eltern angehört. Säugetiere, die am Wochenende den Rasen mähen und den Rest der Zeit ihr Reihenhaus abbezahlen. Zwischendurch wirft diese Tierart auch mit Geschirr nach ihrem Nachwuchs, wenn der es wagt, mit den Fingern zu essen. Erik sieht sich diese Welt an wie eine Tierdokumentation. Er sieht seinen eigenen Körper im Keller seines Elternhauses auf dem Teppichboden liegen und an die Decke starren.Neben seinem Körper steht ein...
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Fabian Lenthe: Karl scheitert
Karl scheiterte. Er scheiterte im Sportverein, in der Schule, im Job, in Beziehungen. Dafür musste man gar nicht so viel tun als gedacht. Eigentlich reichte es völlig nichts zu tun, das war mehr als genug. Scheitern ist die Königsdisziplin, dass wusste Karl. Darin konnte man erfolgreich sein, ohne etwas leisten zu müssen. Die Gewissheit ist das Beste daran. Karl konnte nichts verlieren, weil er nie etwas gewann, von Wettkämpfen hielt er nichts. Etwas in eine Vitrine zu stellen, damit es verstaubt, erschien ihm unlogisch. Das Scheitern war da schon verlockender. Wenn man es richtig anstellte, konnte man sogar etwas gewinnen....
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Sarah de Sanctis: Refeed Day
Montag. 63,5 Kg. Sie öffnet das Küchenfenster und lässt die Morgenfrische herein. Dann streift sie durch ihr dunkles Haar. Ein paar Strähnen bleiben zwischen ihren Fingern hängen und sie lässt sie ins Spülbecken segeln. Am Tisch schlägt sie das gekochte Ei auf die Holzplatte, ein Knacken ertönt, sie schält das Ei und lässt die Schale auf die Tischplatte bröseln. Sie puhlt das Eigelb heraus und lässt den kleinen gelben Ball auf ihrer Handfläche umherrollen. Sie legt ihn auf den Teller und schneidet das Eiweiß in kleine Teile, die sie Stück für Stück mit der Kuchengabel in ihren Mund schiebt. Dann...
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Lisa Neher: Sick of this flat
In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass meine Wohnung mich krank macht. Ich weiß nicht wie dieses Gefühl sich ausgebreitet hat, vielleicht zusammen mit dem Schimmelfleck unter dem Fenster direkt neben meinem Bett. Vielleicht ist der Schuld daran. Er hat sich im Verborgenen verteilt wie ein Ausschlag auf meiner sonst kalkfarben weißen Wand. Gestern habe ich ihn entdeckt. Direkt neben der Heizung, die eigentlich nur Attrappe ist.Daran könnte es auch liegen - in meinem Zimmer ist es chronisch kalt. Der Vermieter ist mehr kreativ als handwerklich veranlagt, denn ihm fallen stets neue Ausreden für die nicht angeschlossene Zentralheizung ein....
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Theobald O.J. Fuchs: Das Diätdiktat
Mir war das vorher so klar nicht gewesen. Dass ich als Amtsträger so viel verdienen würde. Als berufsmäßiges Mitglied des Vorstandsunterausschusses einer nachgeordneten Behörde. Drei Sitzungen im Monat hatte ich abzuleisten, gut: ich hatte einige Papiere zu lesen, was aber letztlich niemand überprüfte, und es gab diese Koordinationstreffen mit anderen Stellvertretern im benachbarten Unterausschuss – bloß hatte ich da noch nie teilgenommen, hatte mich bisher irgendwie nicht überwinden können, hatte mir lieber ein Attest besorgt, das ging ganz einfach. Dass es so abartig viel Geld für diese Arbeit geben würde, haute mich anfangs echt von den Socken. Inzwischen wird mir nicht...
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Lena Kratzer: Heimat
Bereits auf halbem Wege von Lorenzkirche zum Hauptmarkt wehte der Wind ihm den Duft von gebrannten Mandeln, Gewürztees und Glühwein in die Nasenflügel. In Berlin mochte er die Menschenmassen in den Straßen nicht, aber hier ließ er sich einfach mittreiben. Er wusste, dass die Menge ihn zum Ziel schaukeln würde, wie ein Boot, das dem Schein des Leuchtturms folgte. Als er seine durchfrorenen Finger am Glühwein wärmte und die Schals und Mützen der anderen seine Haut streiften, fühlte er sogar eine Art Nestwärme, die er von früher kannte. Obwohl die Nürnberger Elisenlebkuchen inzwischen doppelt so teuer geworden waren, kramte er...
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Lothar Gröschel: Als mich der Abgeordnete Elmar Sören zum Biertrinken einlud
Die Straßenbahn war um diese Zeit so gut besetzt, dass ich nach einem freien Platz Ausschau halten musste. Späte Arbeitspendler aus den Kreativberufen, die sich ins Büro bequemten, wenn die Heizungsbauer im Nachbarhaus bereits ihre zweite Vesperpause einlegten; Mütter auf dem Weg zum Sport oder zum Frühstück-mit-zwei-besten-Freundinnen; Studenten, die es irgendwie aus dem Bett geschafft haben, obwohl seit einer Woche Semesterferien waren, wie ich von Elsa gehört hatte; und eine Menge Ortsfremder - ein abgestandenes Sprachengewirr der Länder des alten Westens. Ich überlegte, wie ich die Fahrtzeit verbringen sollte. Fingerte schon nach meinem Telefon, um es den anderen gleich zu...
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Theobald O.J. Fuchs: Walezählen
Wie jede gute Tiergeschichte handelt auch die folgende von Menschen. Doch keine Sorge. Kein Tier wird vernachlässigt oder verschwiegen werden. Jedenfalls, solange es sich um Wale handelt. Denn worum geht es? Es geht um den gefährlichsten Beruf der Welt, den Walzähler.Pausenlos sind sie unterwegs, die Walzähler, auf hoher See, durch Sturm und Eis, zick und zack über Atlantik, Pazifik und Bodensee – und zählen Wale. Von Montag bis Freitag zwischen 9 und 18 Uhr (außer an Feiertagen) durchpflügen die Schiffe der Walzählerflotte die Weltmeere, unbeirrbar einem großen Ziele folgend: der vollständigen Erfassung und Befragung aller lebenden Wale.Der Walzähler steht am...
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Arabella Block: Warum das Säugetier erfreulich ist
Das Säugetier hat zwei bis vier gut mit Milch gefüllte Zitzen die an Brust und Bäuchen sitzen um die Jungen zu ernähren welche anders hilflos wären. Blieb der Umstand rein privat wäre dieses jammerschad denn bei Ziegen, Schafen, Rindern nützt er nicht nur deren Kindern - also Zicklein, Kälbern, Lämmern - nein, dem Menschen tat es dämmern. dass Milch ja nur der Anfang ist für jemand, der gern Pudding frisst oder Joghurt, Sahne, Butter oder als Gourmetsches Futter: Brie und Harzer, Romadur, St. Agur und Feta pur. Wenn das nur Geiß, Kalb, Lämmlein äße - wär doch Käse.
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Arabella Block: Labradorsonett
Man muss den schwarzen Hund auch lieben wenn er stinkt.Wenn er sich wälzt in Mist und Kot und einer toten Ratte,Die sommertags ein Trecker überfahren hatte.Lieb ihn, wenn er geduscht tropfnass aufs Sofa springt.Man muss den schweren Hund auch lieben, wenn er haart.Wenn Staubsauger und Waschmaschine dran verrecken,Wenn alle Wohntextilien voll schwarzer Härchen steckenMuss man ihn lieben, denn man ist ums Haar verpaart.Man darf dafür in schwarze Mandelaugen schmachten.Auch wenn nicht schmachtet, wer sich früh um sechs erhebtUnd mit dem Tier pressiert dem Wald zustrebt.Man darf die sturste, unbeirrte Treue pachten,die stundenlang vor deiner zugesperrten Türausharrt und liebt, wo du...
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Theresia Denninger: Diät Wochenplan
Wer eine Diät machen will, muss alles erstmal sehr gut organisieren, denn viele Faktoren im Alltag sind unbewusste Dickmacher.Für eine gelingende Gewichtsreduktion sollte man sich nur noch mit dünnen Menschen verabreden, des Weiteren kann es auch beim Abnehmen helfen, wenn man einen Freund gewinnt, der schon eine operative Magenverkleinerung hatte. Der Freundeskreis muss also für eine Diät erstmal ordentlich gewählt werden.Um dann mit der Diät anzufangen muss gesichert sein, dass jeden Tag zur selben Zeit und nicht zu spät geschlafen und aufgestanden wird, denn müde und Nacht-Menschen essen mehr. Es sollte demnach genug geschlafen werden.Am ersten Tag der Diät sollte...
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Elmar Tannert: Säugetiere
Um was geht‘s da heute nochmal? Um Säugetiere. Also Tiere, die säugen? Schafe, Pferde … Meerschweinchen … Ganz genau. Oder Affen … Wale, Delphine … Aber warum heißen die Säugetiere? Naja, weil sie halt säugen. Das hast du doch gerade selber gesagt! Ja, schon … aber ich meine … die säugen doch nicht den ganzen Tag. Die machen doch auch noch andere Sachen. Trinken und fressen und so … oder schlafen … oder … Aber das machen sie ja auch nicht den ganzen Tag! Ja, ich weiß … aber säugen eben auch nicht. Darauf kommt es doch überhaupt nicht an....
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Andii Weber: Diätenratgeberbuch
Ich fand dich eines NachtsAm StraßenrandNahm dich zu mir mitSeitdem habe ich mein Leben im Griff In dir steckt magisches WissenVon Birkenzucker, Kohl und RübenUnd immer, wenn ich nicht mehr weiter weiss Frag ich dich, den du kannst helfen: Wenn die Welt zu brechen drohtDiätenratgeberbuchWenn mein Zahnarzt über mich fluchtDiätenratgeberbuchWenn ein Alb mich im Traum besuchtDiätenratgeberbuchWenn mein Kaninchen plötzlich pupstDiätenratgeberbuchWenn der Richter mich einbuchten tutDiätenratgeberbuchWenn eine angespannte geopolitische Lage gelöst werden mussDiätenratgeberbuch Wenn die Tür so komisch knurrtUnd ihr Ex das Messer holtWenn das Finanzamt mir mein Geld abbuchtWenn die Heuschreckenplage über uns kommtDann gibt es dichMein Diätenratgeberbuch! Also, zum Abnehmen...
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Swami Durchananda: Gespräch mit der Heiligen Kuh Maria Bai Ji
MARIA BAI JI: saug , du sau, saug ER: stotter nicht, MARIA BAI JI: eine Melkmaschine kann das besser als du. ER: Mir fehlen halt auch die Zähne , da schlabbert auch vieles über die Backen. Ausserdem vertrage ich keine Milch, deshalb bekommt mir Hafermilch besser? MARIA BAI JI: Du vertust dich grad gewaltig, ich bin kein Pferd. Und Pferde geben keine Hafermilch, ausserdem wiehern die wenn sie gemolken werde, ER: Da bist du nicht besser, du muuhst sogar. MARIA BAI JI: Na besser als ihr wenn ihr MenschenEure Kinder die Brustwarzen leer saugen lässt. Wonach schmeckt die Menschenmuttermilch denn...
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Vera Freytag: Balz und Paarung
Es ist nie zu spät für eine wilde Primatenparty! Balz und Paarung leichtgemacht!Was Männer von ihren Artverwandten lernen können. Irgendwie hat das ja noch nie so richtig geklappt mit der Kommunikation zwischen Männern und Frauen, der menschlichen Balz und einer stilvollen, aber ebenso eindeutigen Paarungsaufforderung. Schon in der Grundschule trat das ganze klägliche Ausmaß erster knabenhafter Annäherungsversuche zum Vorschein. Maximilian Haselsteiner kratzte sich während des Matheunterrichts vertrocknete Popel aus der Nase, drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger zu harten Kügelchen und schnipste sie unter nervösem Gelächter in unser Mädchenhaar. Ein paar Jahre später versuchte Dominik Angerer sein Glück und stach...
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Andii Weber: Stuttgarter Heimatspaziergang
Versuch einer Trivialvermatschung HEUTE OPEN AIR KONZERT mit NIKITA BAMBULE um 16:30, dazu Rhababerkuchen. Nikita müht sich ab unten am Fuß des Berges. Er hat einen orangenen Amp der Marke Orange mitgebracht und singt irgendwas mit Liebe und Schmerz. Auf den Stufen vor ihm beginnen Menschen zu kuscheln, zu küssen und schließlich zu kopulieren. Ein erhebender Anblick, wenn man von oben draufguckt. Wie als versuche man, mit einem Buntstift der Farbe “Mitteleuropäer” einen Zeichentrickfilm mit der Faust zu malen. Eine Masse aus Fleisch und Körperflüssigkeit und das mitten in der Stadt. Hinter dem Palais riecht es süsslich, ein bisschen nach...
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