Michael Schmidt: Wuiser und die Esoterik

„Also, ich find, wenn Steine ungesund wären, dann dürften sie auch gar nicht verkauft werden. Allein schon wegen der EU. Die hätt ja das Steineverkaufen dann schon längst verboten. Aber im Gegenteil: Wo man hinschaut, verkaufen sich Steine wie die warmen Semmeln. In den Geschäften und im Internet drin. Die wissen schon gar nicht mehr, wo sie alle die Steine hernehmen sollen, um die sie angefragt werden. Letztes Mal steh ich auch wieder neben so einer: Ja, sie nimmt den hier für den Rücken, den da gegen die Falten und die zwei da noch für die Motivation. Am gefragtesten aber sind derzeit diejenigen Steine, die fürs Geld gut sind und gegen die Inflation. Die legt man sich in den Geldbeutel, damit die Scheine nie ausgehen. Und weil der Nachschub für solche Steine gerade wie alles halt mit den Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hat, haben sie beim Professor Wuiser angefragt. Ob der da nicht ein Mittel weiß. Weil der Professor Wuiser, der ist da ja auch Experte. Der hat ja die Alchemie studiert. Das wird in der heutigen Zeit gar nicht mehr zum Studieren angeboten, die Alchemie. Aber der Herr Wuiser hat’s noch gehabt. Da sieht man mal wieder, wie die Zeit vergeht. Jedenfalls ist der Professor Wuiser dann mal eines schönen Tages gekommen und hat ihnen einen ganzen Haufen von den Steinen gebracht, die gut sind für den Geldbeutel. Und wie sie sich gefreut haben! Den ganzen Haufen haben sie gleich genommen, bis auf das letzte Brösel. Das muss eine richtige Sensation gewesen sein. Vor ein paar Tagen hab ich den Herrn Wuiser eh wieder in der Metzgerei drin gesehen. Da hab ich ihn mal darauf angesprochen. Ob das wirklich wissenschaftlich bewiesen ist mit den Steinen da. Sagt er: Ja, absolut erwiesen ist das. Und ob die Steine tatsächlich gut für den Geldbeutel sind? Hat er ebenfalls ja gesagt. Und dass er mich auch nicht angelogen hat und es echt funktioniert, hab ich allein schon daran gesehen, dass der Herr Wuiser sich in der Metzgerei drin gleich einen ganzen Ziegel Leberkäs mitgenommen hat. Mit der Bemerkung, dass das Geld derzeit überhaupt gar keine Rolle für ihn spielt. Das war dann der Beweis, gell.“