Bastian Kienitz: HELL YEAH, endlich gibt es Kriegsroboter

Blankosonett

HELL YEAH, der Bildschirm flackert, leises Rauschen
umgibt den Abend still im Kerzenschein
hast du den Song WE FUCKING DIE gehört
jetzt schlagen Funken lauthals in den Raum

zwei Kanal Ton mit der Tendenz zum Töten
SHOT COUNTER SHOT komm, lass es richtig knallen
bis dieses Wirkungsfeld beginnt zu bluten:
wir sind jetzt mitten in der Szenerie

es gibt ein Wort Maschinenparadigma
dass selbst dein Hirn wie ein Computer tickt
wenn wir die Taste Rot am Joystick drücken

dann läuft im Video der ROBOTS DAY
aus Regeln programmierter Schaukulisse:
wenn du kein Herz hast, kannst du Töten gehen…

blumenleere: prost blitz (auf dass er dich erschlagen moege!)

aeuszere & veraeuszere dich, in altvertrauter waehrung, dem eigentlich schon laengst vor deiner geburt abgelaufenen & ergo, dementsprechend, zu keinem sinnvollen verzehr mehr empfohlenen, widerlichen senf deiner profilneurotischen meinungen, welche allzu gerne saemtliche der sich dir & dabei auch nur irgendwie den mindesten widerstand bildend, also deine illustre – welch ein trauriger hohn! – aufmerksamkeit ausreichend auf sich ziehend entgegenstemmenden reibungspunkte deiner begegnungen mit moeglichen & unmoeglichen entitaeten schmierig hinabtriefen muss, damit du wochen spaeter noch, skrupellos darauf aufbauend, laut schwadronierend schier denselben erbaermlichen wust an dumpf muffelndem nonsens jedweder persona, die es selbstverstaendlich nie wirklich interessieren kann – es sei denn, sie waere total verbloedet oder in dich verliebt & dadurch sowieso beides – wiederum via ihre ohren gen ihre allein deshalb bemitleidenswerten hirnwindungen krakeelen darfst – & zugleich kaempfst du rigoros hasserfuellt gegen deinesgleichen, willst du ja auf gar keinen fall deinen hoechstens aufs groeszenwahnsinnigste herbeihalluzinierten monopolstatus hinsichtlich dessen, berechtigte kritik (sic!) ausueben zu duerfen gefaehrden … & gemeinsam, ihr vertrottelten narren des geiferschaeumend tollwuetig hinaus ueber sich galoppierenden egozentrismus, bildet ihr das armselige fundament unserer uns zu traenen des abscheus ruehrenden aktuellen, nur scheinbar diversitaet – tatsaechlich phantasielos oede, viel zu enge graubraune uniformen – zurschaustellenden kulturlandschaft …

Simon Borowiak: Lieblos

Ich sehꞌ etwas,
was Du nicht siehst.

Ich fühlꞌ etwas,
was Du nicht fühlst.

Ich hörꞌ etwas,
was Du nicht hörst.

Wann merkst Du endlich,
dass Du störst?

Du schaust mich an
wie hundert Kühe.

Ich stehe vor Dir
wie ein Schwein.

Du gibst Dir redlicher als redlich
Mühe,

und ich will doch nur
bei der Andren sein.

Harald Kappel: Murmeln

Beim Betreten des Saales
trinken wir Sand
aus riesigen Urnen
bis sich die Zeit bewegt
schreitend
ziehen schwindelnde Gemälde vorbei
wir überqueren eine dunkle Schwelle
auf der andren Seite
Fische und Schalentiere
schwarz wie Blei
im öden Raum
auf dem Plakat
hinter dem Vorhang
suchen sie verlassene Muscheln
die Anderen nicken fremd
ich weiß nichts davon
atme graue Luft
kein Erklären
bin allein
in dieser taubstummen Welt
regiert das Schweigen
rauschen Murmeln vorbei
klickern die Leere ein
mit Augenschuss
am Wetzelloch
sammeln sich die stillen Stimmen
der einsamen Nacht
und machen mir Angst
auf dem Plakat
im öden Raum
suchen sie
mich

Harald Kappel: ohne Drachenfell

es war einmal
draußen 
im Erwachen
zogen Glasfasern gen Süden
ich rutschte auf dem Vorjahreslaub hinterher
verschluckte den Frost
mit klopfendem Herzen
ein unbedeutender Corvus
ohne Drachenfell
schnell jagte 
ich im ersten Licht
deine Silben
als ich jedoch die Daten berührte
hinterließen sie Bites
auf meiner Haut
mein Körperschatten erbleichte
zu Pfützen aus Sehnsucht
deine Silben rasten
wie Kometen ins All
uneinholbar
für einen unbedeutenden Ritter
ohne Drachenfell

Bastian Kienitz: MENSCHLICHE SCHLACHTEREI

(Blankosonett)

auf bleicher Leinwand schwimmen Überreste
vom Wind verweht, was durch die Steppe zieht
semihumid mit Löss aus karger Quelle
der von der Tundra Kälte mit sich bringt

die strömt hinunter in die Südgefilde
und leckt mit ihrer scharfen Zunge Fleisch
das von den Rippen fällt, die Nahrungsspitze
wird umgekehrt und schreit die ganze Nacht

Verzweiflung drängt aus jeder Fieberpore
und schwitzt sich aus, bis sie von innen friert
nennt sich selbst Unmensch dieses Innenleben

das nichts als nehmen und Ermordung kennt
heißt Schlächter in den Tiefen seiner Seele
wir sehen uns in Wald und Höhle selbst


»nennt sich selbst Unmensch« Zitat: aus dem Drama Faust – Der Tragödie erster Teil, Wald und Höhle von Johann Wolfgang von Goethe. Das Gedicht wurde zudem von dem gleichnamigen Bild MENSCHLICHE SCHLACHTEREI von WOLS inspiriert.

Bastian Kienitz: SPLATTER

(dt. Spritzer, Blankosonett)

die Schütte Splatter auf dem weißen Leinen
trägt keinen Namen, doch es riecht nach Blut
aus alten, längst verwaisten Regentagen
Film ab, jetzt sag zur Horrorshow: Beginn

und höre selbst wie Tropfen lautstark klopfen
mit jedem Spritzer Klatsch lautmalerisch
zu einem Kunstwerk, deinem Opfer werden
in dem die Kraft der reinen Seele steckt

du fließt und mit dir fließen lauter Worte
im Zeilenabstand, der jetzt leiser wird
und anfängt todeswund abstrus zu röcheln

bis du dich selbst in einem Wort erkennst
und deine Flügel auseinanderfaltest:
du unterzeichnest dich und fliegst davon…


»du unterzeichnest dich« in Anlehnung an den Vers „Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut“ aus Faust 1, Studierzimmer II von J.W. Goethe. Des Weiteren ist das Gedicht von dem gleichnamigen Werk SPLATTER von Hermann Nitsch inspiriert worden.

Simon Borowiak: Atheistische Glaubenskrise

Eine Frage, Gott:
Warum hast Du mich verlassen?
Doch wenn ich dann so um mich schaue:
Du musst die Menschheit ganz schön hassen.
Du machst sie dumm und pöbelnd und gemein,
zerstörst die Schönen, fällst die Gesunden.
Insofern muss die Eingangsfrage eigentlich lauten:
Mein Gott,
warum hast Du mich gefunden?