Christian Knieps: Pitch Deck

Number Factory ist wie Backen nach Zahlen – Würfel dir die Welt, wie sie dir gefällt!
Danny de Pedrosa y Jesus geht zum Boardroom, um seine neue Strategie zu pitchen. Heute ist Senior Management Meeting, und Danny hat sich eine neue agile Strategy für Finance results and adjustments ausgedacht – endlich gab es eine crispy Methode, um per multiplen Würfeln die P&L zu generieren, ohne Aufwand, auf Basis von stochastischen Methoden, quasi Advanced Dungeons and Dragons Style mit Unternehmensergebnissen.
Er tritt ein und möchte die Stimmung anfühlen, ob er den Flow spüren kann, das vorherrschende Mindset, damit er auf Augenhöhe mit dem Management sein Mission Statement performant präsentieren kann. Er koppelt seinen Laptop mit dem Smartboard und beginnt das Big Picture auszurollen, will alle mitnehmen und zieht daher alle Register seines Storytellings, in dem er von Mehrwert, Employee DNA und Nachhaltigkeit in systemgestützten Prozessen spricht, ehe er zum eigentlichen Thema kommt: dem Outplacement von einigen Lowperformern, da das Würfeln des Unternehmensergebnisses die hohe Kunst – quasi Rocket Science für Raketenwissenschaftler – ist. Das gesamte Finance Team müsste resilienter werden, näher ans Business rücken, Guide und strategischer Berater werden, Steuermann/frau/divers, Feedback gebend, wertschätzend, mit Augenmaß! – und was ist gerechter als der Zufall!? Also warum das Intrapreneurship evaluieren, warum Big Data nutzen und die Unternehmenskultur durch permanentes Coaching umkrempeln, wenn man doch einfach Würfeln kann?
Das Feedback am Ende seiner Summary ist positiv, das Commitment des Managements ist vorhanden und Danny ist am Ziel: er hat mit seiner Keynote zur neuen Unternehmensstrategie nicht nur proaktiv alles gegen die Wand gefahren, sondern auch induktiv und disruptiv eine gesamte Silowelt an den Pranger gestellt und ausgewürfelt. Alia iacta est!

Matt S. Bakausky: Die Seele des Backens

Ich mag keine Geschenke. Als ich jünger war, habe ich mal ein Buch geschenkt bekommen. Das war gerade, als ich in meine erste eigene Wohnung eingezogen bin. Da gab es dann lauter nützliche Dinge. Wie zum Beispiel Socken. Oder ebendieses Buch.
Das Buch hieß „Backen nach Zahlen“. Es war ein Kochbuch. Bis heute habe ich nichts aus diesem Buch gekocht. Das liegt erstens daran, dass ich nicht koche und zweitens daran, dass ich keinen Backofen habe. Wie soll ich bitte nach Zahlen backen, ohne einen Backofen?
Warum ich nicht koche? Nun ja, ich leide an etwas, was sich Neophobie nennt. Das ist die Angst vor neuen Dingen. Dieses Kochen ist mir doch zu modern, es wird erst seit 1,5 Millionen Jahren praktiziert. Zumindest gab es da in Äthiopien die ersten Spuren von einer mit Feuer zubereiteten Mahlzeit.
Ich selbst bin natürlich älter als 1,5 Millionen Jahre, müssen Sie wissen. Ich bin eine alte Seele und stamme ursprünglich von einem Planeten, auf dem es keine Nahrung gibt. Deshalb tue ich mich mit der Ernährung hier auf der Erde überhaupt schwer.
Diese ganze Sache von etwas anderes töten, um am Leben zu bleiben und so weiter. Das bin ich so von zu Hause nicht gewohnt. Gefressen und gefressen werden … Nein, danke!
Aber ich muss mich dennoch irgendwie ernähren und das mache ich ganz altmodisch. Ich kaufe im Supermarkt essen, welches man nicht backen oder kochen muss und füttere es in mich rein. Der erste Supermarkt ist noch keine 1,5 Millionen Jahre alt, werden Sie vielleicht sagen und Spuren davon wurden nicht in Äthiopien gefunden. Da haben sie aufmerksam aufgepasst. Vielleicht habe ich ein wenig geschwindelt.

Hier ein Rezept aus dem Buch Backen nach Zahlen:

Für den Teig:
125 g Butter
100 g Zucker
2 Eier
300 g Mehl
1 Teelöffel Backpulver
1 Packung Vanillezucker
Etwas Butter für die Form

Für den Belag:
200 g Aprikosenmarmelade
175 g Butter
130 g Zucker
1 Packung Vanillezucker
400 g gemahlene Nüsse
200 g Zartbitterkuvertüre

Na, schmeckt gut, oder? Man beachte die Zahlen. Ja, es wird nach Zahlen gebacken. Leider habe ich keinen Backofen, sonst würde ich dieses Rezept mit meiner Briefwaage abwiegen und zubereiten. Vielleicht hätte mir jemand einen Backofen schenken können. Das wäre ein schönes Geschenk gewesen und ich hätte mich darüber gefreut. Benutzt hätte ich ihn selbstverständlich trotzdem nicht.

Philip Krömer: ErlangenHORROR

Und wenn der Vollmond wieder glitzert, wachsen den Werschweinen im Buckenhofer Forst Daumen. Dann steigen sie über ihren Zaun und traben in die Innenstadt, kratzen die Mülltonnen aus und ängstigen den Türsteher vom Zirkel. Aber der lässt sie nicht rein, keine Chance, nicht in dem Outfit. Halte deine Fenster und Türen geschlossen, Erlangen, bis der Mond morgen wieder abnimmt.

Habt ihr im Wiesengrund die niedergewalzten Büsche bemerkt? Die Risse im Asphalt des Radwegs? Das war der Lurch. Der hat beim geheimen Areva-Reaktorexperimenten zu viel vom Kühlwasser geschluckt. Jetzt misst er acht Meter von Schnauze bis Schwanzspitze und weiß mit seiner neuen Kraft nichts anzufangen. Wenn die Reiher vorübersegeln, legt er sich noch immer bewegungslos ins Gras.

Ein Sausen erfüllt die Luft und gurgelnd schluckt ein Strudel alles Wasser aus dem Dechsendorfer Weiher. Da ist ein Riss entstanden. Fische zappeln am matschigen Ufer, das bald bis an den tiefsten Punkt reicht. Und dort kommt … ein Gebäude zum Vorschein. Nein, eine Anordnung abstrakter Formen. Ein Tempel, in dessen innerster Kammer der schreckliche Cthulhu seinen ewigen Schlaf schläft. Leise jetzt. Den wollt ihr nicht wecken!

Tief aus den Bierstollen unterm Burgberg hallen seine Schritte, dringt sein hirnloses Gebrabbel. Wer unvorsichtig nachsehen geht, den schnappt er sich zur Zwischenmahlzeit. Erst wenn das Fest wieder anhebt und die Fässer angezapft werden, kommt der Troll heraus. Unter den Besuchern fällt er kaum auf. Dann steckt er Brezen in sich rein für zwei Fußballmannschaften und trinkt das Bier fässerweise. Wer ihn bei der Nahrungsaufnahme stört, bereut das bald. Das nimmt er krumm. Seine Fäuste sind nicht von Pappe.

blumenleere: spiel, spannung, spasz

kennst du das auch …? bohrende langeweile – dein magen schreit lauthals, hunger!; gib mir richtig fett geile dinge zum mampfen, aber sofort, sonst knallt’s!, doch du hast absolut keinen bock, dich – mir nichts, dir nichts – schnurstracks & fast so aufs geradewohl gen kueche zu begeben & dich dort brav & devot ans kochen zu machen. nein, das, naemlich, faellt dir genau gar nicht ein & etwas andres gescheites ebenso wenig – wenigstens nichts, was du nicht im laufe der letzten wochen mindestens zwei dutzend mal deinen gierigen schlund hinuntergestopft haettest.
diesem missstand, allerdings, laesst sich mit ein bisschen phantasie wirklich recht lockerleicht abhilfe schaffen – pass auf!:
zock dir einen w20 & einen w10 von deinem lokalen fantasy-brettspielladen, einen w6 wirst du ja sicherlich noch irgendwo daheim rumliegen haben, oder? dann verfass eine liste mit deinen 20 lieblingsgemuese- bzw. besten wissens & gewissens erhitzbaren lieblingsobstsorten (tierisches vernachlaessigen wir, der politischen korrektheit wegen, natuerlich tunlichst), schreibe 10 zubereitungsmethoden auf einen zettel (dazu wuerfelst du bei bedarf, also, falls die spezielle herangehensweise es erfordert, eins deiner liebsten komplementaeren fette bzw. oele aus – 6 optionen sollten reichen, um die sache nicht zu ueberkompliziert zu gestalten), von frittieren, braten ueber grillen & garen bis hin zu raffinierterem pochieren & duensten – einschlieszlich entsprechender nummerierung. daraufhin ueberlegst du gezielt, was fuer sogenannte beilagen dazu passen koennten, welche gewuerze, wie erstere angerichtet & praepariert werden duerfen. ist dir der kniff nun klar? los geht’s: kochen nach zahlen! (respektive: das entsprechende zeug besorgen &, sagt dir das somit gerade entstandene rezept nicht zu, wuerfel halt erneut!)
spannende kombinationen & kulinarische ueberraschungen beinahe garantiert!

Juliane Kling: Dynamit

Wie du da jetzt vor mir stehst, weiß ich nicht, wie ich dir jemals das Gefühl geben konnte, dass du nicht schön genug bist. Dass du es nicht wert bist, geliebt zu werden, nicht von dir, von mir oder von irgendwem.
Die Luft ist schwer und feucht, ballt sich rund um dein Gesicht, das von der heißen Dusche  leicht gerötet ist. Du nimmst das Handtuch und du schaust mich an.
Fragst stumm, ob ich noch warten kann.

Am liebsten fällst du, wenn du ganz alleine bist. Du weißt, dass mir das nicht gefällt, aber im  Grunde ist es das, was uns zusammenhält. Und ja, mein Herz, ich weiß, wie sehr du dich zerrissen hast. Dich gebeugt, geflickt und wieder aufgehoben hast.

Und um nicht nochmal zu brechen, bist du gerannt. Hast deine Hölle weit ins Innerste verbannt.
Und als du in deinen Schuhen nicht mehr laufen konntest, bist du barfuß gegangen, um den Regen zu spüren und den Asphalt unter deinen Füßen.
Ich hab gesagt, ich trage dich, doch du meintest, ein Vergessen gibt es nicht. Nicht in einem Kopf, in dem die Wände Augen haben und Erinnerungen Waffen tragen.

Ich hab gekämpft um dich und mich, aber schlussendlich hast du doch gewonnen, mir mit deinen Argumenten jedes Wort genommen. Du hast gemeint, wo willst du hin mit mir, mit dieser ewigen, verfluchten Suche nach dem Wir?

Und so blieben meine Bitten haltlos wie der Wind, der in seiner Halbherzigkeit nicht einmal Papier zum Fliegen bringt. Du lässt das Handtuch fallen und du siehst mich an. Sagst, dass du es leid bist, den Karren immer wieder selbst aus dem Dreck ziehen zu müssen. Und dass du nur mit mir fickst, um nicht mehr denken zu  müssen.
Ich weiß, dass du mich bloß verletzten willst, weil dein Hass dir gleich beim Springen hilft. 

Mein Blick wandert an deinem Körper entlang, vom Hals bis zu den Beinen schau ich dich an. Du bist  so schön, dass es mir die Sprache raubt. Du öffnest die Arme und mein Atem wird laut.
Und als ich dich anfasse, spüre ich das Dynamit in deiner Brust, fühl die Wut und den Schmerz und den tiefen Verlust. Und ohne Sinn und ohne Verstand verlierst du dich in meinen Händen, erlaubst mir, dich zu lenken und den Sturm abzuwenden.
Und als du kommst, schlägt dein Herz ganz wild und frei, du bebst und du seufzt und dann ist es vorbei. Du weichst schon zurück, streichst dein Haar aus der Stirn, weigerst  dich partout, mir in die Augen zu sehen. Denn so nah wir gerade zusammen waren, so fern sind wir uns, wenn sich die Rauchwolken legen.

Nicht nur einmal hab ich dich zu oft verlassen, hab mich selbst bekriegt und dich in einem Minenfeld gelassen. Und Liebste, es kommt viel zu spät, doch du hast jedes Recht, mich in Sprengstoff zu kleiden und meinen Anblick zu meiden. Denn was bin ich mehr als  eine Reflexion, von der Welt gemacht zu deiner wutentbrannten Illusion? Und wie du da jetzt vor mir stehst, inmitten von Explosionen und Detonationen, hoffe ich, dass dich irgendwann irgendjemand fragen wird, nach all den Jahren, nach all den Schlachten, nach all der Zeit?

Und dass du dann wissen wirst, was dir am Ende bleibt.

Dass du dich umdrehst, mit dem Handtuch in der Hand.

Weg vom Spiegel, weg von mir,
denn letztendlich gehörst du nur dir.

Juliane Kling: Struktur

Wilma ist ein ordnungsliebender Mensch. Sie schätzt es, wenn die Dinge ihren geregelten Gang nehmen. Aufgaben erledigt sie planvoll und mit ausgesuchter Sorgfalt. Sie mag es, wenn Handlungen und Abläufe ein durchdachtes System haben. Das verschafft einem Überblick. 

Wenn sich Gegenstände nicht mehr an ihrem gewohnten Platz oder in der von Wilma als sinnvoll erachteten Reihenfolge befinden, gerät sie leicht aus der Fassung. Chaos hat in Wilmas Leben keinen Platz. Deshalb sind To-Do-Listen ihr heiliger Gral. Nur wenig verschafft Wilma so viel Befriedigung, wie einen Tagesordnungspunkt in ihrem Taschenkalender abzustreichen, außer vielleicht ein doppelt gereifter Single Malt mit ihrer Nachbarin Dorea. Dorea ist Griechin und eine echte Whiskyliebhaberin. 

Dorea meint, der verfluchte Ouzo solle bleiben, wo der Pfeffer wächst und zwar in der Unterwelt. Ungeachtet der Tatsache, dass Wilma einen kräftigen Ouzo sicherlich nicht ablehnen würde, könnte sie bei dieser Aussage regelmäßig an die Decke gehen. In der Unterwelt kann ihrer Ansicht nach nicht einmal der Pfeffer wachsen. Da wächst überhaupt nichts, abgesehen von Doreas haarsträubenden Schnapstheorien. Wilma hasst Ungenauigkeiten und man könnte sie in dieser Hinsicht durchaus als pedantisch bezeichnen. 

Früher haben sich Dorea und Wilma jeden Sonntagabend zusammen den Tatort angeguckt. Mittlerweile will Dorea das allerdings nicht mehr, weil Wilma sich stundenlang über die strukturlosen Ermittlungsversuche der Hauptfiguren aufregen konnte, von den fatalen Logikfehlern im Drehbuch noch gar nicht angefangen. Statt dem Tatort schaut Wilma jetzt lieber anspruchsvolle Dokumentationen auf Phoenix und genehmigt sich dabei ein Glas Brandy. 

Neben ihrem Interesse an gut recherchierten Dokumentarfilmen hegt Wilma eine große Leidenschaft für Unterhaltungsliteratur. Sie liebt es, in die Geschichten Anderer einzutauchen und dabei zu wissen, dass sie jederzeit in ihre eigene Ordnung zurückkehren kann. Bei den Büchern in ihren Regalen achtet Wilma stets darauf, dass die Rücken Kante auf Kante stehen. Dass sie eine farblich abgestimmte und ebenmäßige Gerade bilden, die streng nach Autor, Verlag und Thema organisiert ist. Jedes Mal, wenn Wilma auf die tadellosen Regalreihen in ihrem Schlafzimmer blickt, fühlt sie sich von einer tiefen inneren Zufriedenheit erfüllt. 

Allgemein ist Wilmas Wohnung geradezu penibel sauber und aufgeräumt, was von unangekündigtem Besuch für gewöhnlich mit hellem Erstaunen und unverhohlener Bewunderung quittiert wird. Ob das etwa immer so aussehen würde? Ja, sagt Wilma dann schlicht und öffnet eine Flasche französischen Weißwein, den sie für solche Fälle vorsorglich im Haus hat. Niemals würden Wilma unerwartet das Klopapier oder die Dinkelnudeln ausgehen. Hygieneprodukte und Vorräte werden aufgefüllt, bevor sie sich dem Ende neigen. 

Wilma hasst plötzliche Überraschungen, weshalb ihr unangekündigter Besuch auch gehörig gegen den Strich geht. Die Flasche Weißwein dient daher in erster Linie ihrem eigenen Wohlbefinden. 

Manchmal wäre Wilma gerne flexibler, aber flexibel zu sein erfordert Spontaneität und Spontaneität bereitet ihr enormen Stress. Wenn Wilma gestresst ist, wird sie unausstehlich. Ihre Hände werden schwitzig und ihr Mund trocken, sie bekommt Herzrasen und Ohrensausen. Sie braucht dann ganz schnell einen Schluck Likör von ihrer Oma Hilde und falls der nicht zur Hand ist, tut es auch etwas anderes, Hauptsache, es erfüllt seinen Zweck und fegt Wilmas Gedanken wieder frei. Ein klarer Kopf bedeutet Ruhe und Konzentration und die hat Wilma dringend nötig. 

Ihr Erinnerungsvermögen lässt sie in letzter Zeit häufig im Stich. Sie vergisst, wo sie ihren Taschenkalender hingelegt und ob sie die Wohnungstür abgesperrt hat, nachdem sie das Haus verlassen hat. Deswegen hat sie sich nun Ginkgo-Tabletten gegen Gedächtnisstörungen gekauft und nimmt jeden Tag eine, ganz genau nach Packungsanleitung. 

Wilma hat früh gelernt, dass man mit Umsicht und Sorgfalt viel erreichen kann. Wenn sie sich abends mit Freundinnen in einer Bar verabredet, kann sie ohne schlechtes Gewissen den teuersten Gin Tonic auf der Karte bestellen. Sie kann vier Stück davon trinken, bevor sie nicht mehr deutlich sprechen kann.
Daran hält sie sich akribisch.

Wilma verabscheut Improvisation und ihr Rausch hat immer System.

„Man darf nicht den Überblick verlieren“, sagt sie. „Struktur ist wichtig.“