Theobald O.J. Fuchs: SEX (eine wahre Begebenheit)

Kalte Hände auf heißen Armen, Frösteln im Schatten, die Augen zusammen gekniffen.
Lichtreflexe über dem Wasser, nackte Beine, glatte Haut. So sieht das Setting aus.
Außerdem: Sich durch Badeanzugsstoffnässe drückende Brustwarzenhofkonturen.

Die Zeit steht, das Frösteln, die Helle.
Die Zeit steht, steht seit einer Weile,
Vielleicht Tage oder Wochen oder Monate,
Steht ununterbrochen.
Aber es muss ja weiter gehen.

Mit Sex. Mit Sex.

Mit Sex, nasser Haut, kühlen Füßen.
Sex wälzt Gras platt, Gras stachelt Sex an.
Gewicht hat Sex mit unseren Körpern.
Wir sind Körper, wir sind kein Gewicht.
Sex, der ganze Kopf voller Sex.

Ein Frösteln, ein warmer Luftwind,
die festgefahrene, stehende Zeit.
Still. Fest. Still. Stand.
Total geil, für immer geil.

Endstufennähe, näher geht nicht, noch näher hieße schmieden, wäre verschmolzen. Noch näher hieße, nicht mehr zu trennen, wie zwei Farben, vermischt bis zum letzten Ende.
Weißbunt. Atomblitz. Sternschlag.

Oder so: Ein Kuchenteig, den echt keiner mehr zerlegen wird in Butter und Zucker.

Es dauert noch, hält noch kurz.

Dann.

Vorbei.

KARO: Come here

Come here, you destroyer
you black hole
you sad eyes
you dangerous fool
you desperate saint of desire

Come here, you breaker
you fleeting moment
you tempest
you lost boy
you wonderful child of defeat

Come here, you unchecked queen
you lonely planet
you (spinning out of control)
you (empty space)
you missing peace of mind

Come here, you
for
I see you
for
who you are
is no more
or less
than
anyone else

but you.

KARO: Mary

If you were the moon, I’d know why you circle around me.
If you were immaculate, I’d know why you can’t come close.
If your father was the lamb, I’d know why you go crazy at night.
If I grabbed you as hard as I wanted, you’d know you were right.
If you said one holy word, I’d hear you.
If you came to me, you’d come.
Hard.

Matt S. Bakausky: Filmspiele

Ein Film. Kennst du ihn schon? Oder nur den Trailer?
Es dämmert dir. Es ist einer von diesen Filmen. Einer von vor jener Zeit. Die Ereignisse von dieser Zeit oder davor trugen dazu bei, dass Verbindungen in deinem Hirn aufgebaut worden sind. Oder wie dieser scheiß Apparat auch funktioniert. Einer dieser Filme, den du höchstens bis zur Mitte gesehen hast.
Cineastische Bildungslücken.

Der Film lief auf einem Computer im Stream. Eure vier Augen davor. Bis eure vier Hände woanders hinschauten.
Der Film wird zur Tapete für die dünnen Wände.
Eine Ummantelung für das Schamgefühl.
Es kommt zur Einführung, zum Wendepunkt zum Höhepunkt und dann zum Abspann. Kurzes Kuscheln bis sie zu reden anfängt. Post-koitale Tristesse.

Irgendwann war es vorbei.
Keine halben Sachen mehr bei den bewegten Bildern, keine dualistischen erotischen Erlebnisse von da an.

Und jetzt schaust du den Film zu Ende an.
Zum ersten Mal, denn du hast ja sonst nix zu tun.
Schließt die cineastische Bildungslücke.
Kannst dich danach in den Schlaf weinen oder betrinken.

Martin Knepper: Im Delta

»Die lutschen Schuppen einzeln ausficken will ich dir, du Geilforelle« brunft der ältliche Quapp und zieht sich schwerfällig den Sack über die Eichel.

»Ja, du Glibber–Nille, Fischpenis, brunftliche Quappe! Gib mir deinen Sex!« röhrt die Hommingberger-Gepardenforelle häutig mit einem Blubber voll Poppysmata zurück, in denen tighte Drallen wippen.

Fisch–Titten, meersteif kloppige Samentaschen, die joch über alge Otzen laichen, seifig verbohrte Schwimm–Labien in einer Eier–Jauche voll salzem Geil–Odel.
Während tropfe Präputiums–Ringe sich blasicht in warme Schlick–Löcher atzen, gründelt das spermatriefende Blasmaul wollüstig in seine Backen–Schlappen.

»Ribisel mich spritz in meine milchhungrige Nache, du schanker Rogen–Papst« murmelt sie verkitzlert.

drip-drop-drip-drop-drop-drop-drop,
drip-drop-drip-drop-drop-drop-drop,
drip-drop-drip-drop-drop-drop-drop…

Opake Perlen scheißen wundermild aus der Cervix–Ritze ab, in der schon umgezählt halb–lunge Riemen–Schlacken sintern. Abgespritzte Bartfäden rüsseln bohrig über einen pintdicken Obernippel, auf zwischenriffen Keuchpolstern und in Kavernen voller fischem Geilschmand.
Die krustenvermuschelte Tidenfut bibberig gegen den samen Fischpenis gekeilt, schubert die Hommingberger-Gepardenforelle nach dem Abendspritz, doch der blasentange See–Hengst kann da nur buffen:

»Meine marine Suppe soll ich dir in den Eiersack löffeln, du zweitmeistangeklickte Korallen–Hure? Dich durchnagelte Krill–Schlampe limnisch in deinen tropfnassen Wixberg dengeln? Ich will dich vor mir schwänzeltanzen sehen, schnorchel mich aus, du linkfisches Sielmännchen… «

Keiler und keiler simst die kaltblütige Klimaxfrequenz, ihre Fotz–Flossen stacheln schon, der Quapp riemt und riemt, eine vorlaufe Fischbrühe des onanierenden Pupfischs von der dritten Strömung untermischt die Labe, die Hommingberger-Gepardenforelle und der Quapp tauchen ab in bohrem Kreisch, immer ratzinger verpilzt sich ihr gemeinsames Kloaken, «Wella! Wella!“, sprudelt sie ohne jeden Zander.

Und immer froscher nimmt er sie, verpasst den strullen Barten einen Zilpzalp, setzt da einen untermeerischen Schleimgriff, dort einen Prong voll Tuff, ganze Laken buttet er über sie, eine Tsunami flutet ihre Schwimmblase, unablässig pumpt er eiweißen Zagel–Schleim in die tauchtiefe Plankton–Spalte, der im Schnief die Kiemen keiteln.

Es ist vorbei.

Die beiden Geilfische entmannen sich ungeschlacht, grützen ihre Rochen auf und orgeln verblasen in den Cunnus.

Katja Engelhardt: Troye Sivan und der Sex in der Popmusik

Das angebliche Erfolgsrezept von Popmusik ist ihr universeller Charakter. Demnach ist ein Popsong dann erfolgreich, wenn sich besonders viele Menschen mit ihm identifizieren können. Daraus folgt: Texte von Popmusik sollten die Hörer nicht ausschließen. Im Idealfall ist das love interest bei Liebessongs immer ein „you“ – also ein „du“, kann dann prima Mann oder Frau sein und die Herzen aller Hörer beginnen ganz schrecklich aufgeregt zu pochen, weil sie gerade ihre Romanze in der Schablone Liebessong aufgehen sehen.
Es ist also nicht allzu unlogisch, dass es so wenige queere Lyrics in Popsongs gibt. Immerhin müsste der Künstler oder die Künstlerin erstens überhaupt Lust darauf haben, die eigene Vorliebe zu thematisieren – und hätte Elton John das zu Beginn seiner Karriere gewollt? eher nicht. Zweitens müssten die Künstler*innen sich das trauen. Und drittens: Würden sie theoretisch auf eine Gruppe von Hörern verzichten. Nach den Gesetzen des allround universellen Pop. Zumindest wird die Beziehung zwischen Interpreten, lyrischem Ich und Konsumenten erschwert.
Troye Sivan hat dieses merkwürdige Konstrukt herausgefordert. Und das wirklich sehr schlau: Queer und kompatibel.
Eine der Singles zu seinem Album „Bloom“ ist der gleichnamige Song – Bloom. In dem es um Analsex geht. Und die war Radiomaterial. Troye Sivan ist offen schwul, mit dem Wissen im Hinterkopf geht als also auf jeden Fall um Analsex von zwei Männern miteinander. Aber verpackt in Codes. Troye Sivan will jemandem seinen „Garten zeigen“, da soll Gas in den Motor fließen, die Fontänen sprudeln, alles dabei. Und der Titel Bloom, also blühen, ist das sich öffnen, was dafür notwendig ist. Und weil Troye Sivan singt, er blühe nur für seinen Counterpart, wissen wir gleich sehr viel mehr über sein Sexleben als ich nach jahrelangem Fan Girling über das von Britney Spears. Einfach so.
Weil „Bloom“ eben in Codes erzählt wird und mit viel Popdrama und Melodie ummantelt ist, checkt man nicht so schnell, dass es um Analsex geht. Und genau das erhöht natürlich auch die Chance, im Mainstream-Radio zu landen.
In anderen Songs streut Troye Sivan sehr gezielt immer wieder männliche Pronomen ein und lässt uns wirklich nie daran zweifeln, dass er auf Männer steht: „My boy like a queen“ im Song „Lucky Strike“ – den Song „Animal“ nennt er sogar selbst eine Ode „an den boy, den er liebt“. Das heißt auch wenn im Radio jegliche Queerness überhört wird, klären diese männlichen Personalpronomen in den anderen Songs auf dem Album restlos auf.
Bei allem gesellschaftspolitischem Mut, kommt trotzdem nie das Gefühl auf, dass Troye Sivan schockieren wollen würde. Er will niemanden überzeugen. Das hier ist kein Agit Pop. Troye Sivan tut einfach nur das, was weirder Weise oft viel radikaler ist: Er ist ehrlich. Männliche Pronomen und Zuschreibungen fallen bei ihm nämlich meistens dann, wenn es um Sex geht und, nun ja, da ist ja nun mal ein Unterschied, ein physischer. Würde der verschwiegen, dann wäre der Text eines offen schwulen Mannes nur weniger authentisch. Überhaupt: Die Regel des universellen Pop scheint schlecht gealtert zu sein. Taylor Swift ist sehr erfolgreich und verweist in ihren Texten ständig auf ihr Privatleben, das ist auf die Fans zugeschnittene Gossip Verwertung und funktioniert 1a. Dabei können sich die allerwenigstens damit identifizieren eine bildschöne weiße blonde Frau zu sein, die von anderen Promis in tweets kritisiert wird. Pop muss nicht universell sein, indem er immer schön vage und uneindeutig getextet ist. Die verbindende Kraft von Pop sollte 2019 nicht sein, dass alle alles hineininterpretieren können.
Vielmehr sollten Popsongs so individuell wie möglich sein, aber so gut gemacht, dass wir alle verstehen und mitfühlen können, egal von wem der Song kommt. Damit wir uns alle über diese Geschichten besser kennenlernen und vermeintliche Gräben zwischen uns überwinden. Dann erfüllt Pop sein Potential zu verbinden nämlich wirklich – nicht als Klebstoff innerhalb einer Gruppe, sondern zwischen uns allen.