Matt S. Bakausky: Gefühlte Zeit

Rutsche auf dem Bürostuhl hin und her. Starre auf den Monitor.
Draußen, tief unten, stehen Autos im Stau. Umleitung.
Weißt du noch damals als der Helikopter gelandet ist und der Pilot sich einen Döner geholt hat?
Okay, das war wohl nur ein Tagtraum.
Seiten aufrufen. Nachrichten die täglich gleich aussehen, nur dass unsichtbar das Wort „Neu“ davor steht. Immer sichtbar die Uhrzeit in der Startleiste. Die Zahlen verändern sich umso seltener, je öfter du darauf schaust.

Dein Kollege gegenüber macht Tippgeräusche auf seiner Tastatur und sagt etwas zu dir. Zumindest denkst du für einen kurzen Moment, dass er ein Gespräch beginnt. Doch ein Blick verrät, dass er ins Telefon spricht. Eine Fliege liegt bewegungslos auf dem Fensterbrett. Die hat für heute bereits genug getan. Du breitest deine Flügel aus und fliegst durch das Fenster über die Autos hinweg ins Paradies. Ein weiterer Tagtraum.

Der Kaffee ist kalt und schmeckt wie kalter Kaffee schmeckt. Du hörst ein Klingeln, willst an die Tür gehen, doch dein Kollege ist schneller. Der Paketbote ist an der Tür, abgehetzt. Zack, zack, schnell hier unterschreiben. Dein Schreibtisch sieht tipptopp aus. Du hast ihn vorhin aufgeräumt. Laut der Uhr in der Menüleiste ist seitdem erst eine viertel Stunde vergangen.

Webseiten öffnen. Uninteressante Nachrichten. E-Mails abrufen, keine neuen Nachrichten. Nicht mal ein Newsletter. Der Spamfilter ist fleißig. Die Autos unten bewegen sich in müden Schritten.
Du überlegst an deinem Hobbyprojekt zu arbeiten. Die Computermaus steuert den Mauszeiger langsam Richtung Menüleiste.

Dein Blick wandert wieder auf die Fliege.  Sie ruht sich immer noch aus. Wahrscheinlich ist sie tot. Ja, sie ist hier gestorben. Das musst du wohl zugeben. Sie ist hier gestorben. Aus Langeweile.
Noch ein Schluck vom kalten Kaffee, der wie kalter Kaffee schmeckt.
Du nimmst einen Kugelschreiber und schiebst damit die Fliege in den Mülleimer. Die stört das gar nicht.