Harald Kappel: MischFischTisch

Zu Weihnachten bekam mein Bruder eine Gitarre.

Meine Schwester eine Nähmaschine.

Und ich sogar ein Boot.

Ich heuerte bei mir selbst als Schiffsjunge an, mein Bruder nannte sich Freddy Quinn und sang schreckliche Lieder. Meine Schwester strickte ein Zelt für uns.

Wir fuhren über sieben Meere.

Wir umschifften tausend Klippen, bis unser hölzerner Rumpf an einem Fels in der Brandung zerbrach.

Wir hungerten. Wir hatten Dünnpfiff. Wir fütterten die Fische.  

Aber das Meer nahm sich nur, was es uns gegeben hatte.

Vater bekam Skorbut und meine Schwester nähte ihm mit ihrer verrosteten Nähmaschine eine Angel. Mein Bruder sang immer noch schreckliche Seemannslieder. Mutter wurde mondsüchtig.

Am Samstagabend, vor der Hitparade, beschlossen wir baden zu gehen.

Auf dem Weg zum Strand saßen die Badehosen knapp, aber dies versprach eine

Prise Gefahr und Abenteuer. Meine Schwester wollte uns Tangas weben, aber wir lehnten ab. Mein Bruder wollte singen. Aber wir lehnten ab.

Wir verbrachten unser halbes Leben an diesem Strand. Die Badehosen saßen zwar immer noch knapp, aber da sonst alles an der richtigen Stelle war, blieben wir gelassen. Die Wellen spülten die Zeit und unsere Pisse hinweg, bis Vater nach vielen Jahren den ersten Fisch fing. Er war klein, weiß und lieb. Der kleine Fisch konnte meinen Hunger nicht stillen und in meinen Gedanken war wenig Platz für seinen Tod.

Ich betete, denn ich war gefangen am Ende der Welt und gestrandet im Hafen der Einsamkeit. Im Bauch eines Wals wurden wir gerettet.

Mein Leib blieb zurück, meine Schwester nähte nie mehr. Mein Bruder ist Freddy Quinn, meine Mutter reiste zum Mond und als mein Vater starb, waren seine letzten Worte:

Es gibt nichts Besseres als frischen Fisch zum Frühstück.

Blumenleere: tuedelue!

pack deine arroganz & wirf sie in den muelleimer, den funny van dannen zum uebergangscontainer fuer die entsorgung trauriger lieder stilisiert, wenn du sagst, die metaphysik sei tot, verlaesst du deinen zustaendigkeitsbereich, denn blosz, weil manche philophischen dikurse einen solchen status quo propagieren, heiszt das noch lange nicht mehr als fast nichts, nein, vielmehr bedeutet es vornehmlich eins, naemlich dass wenige die uebrigen bevormundend bestimmen wollen, welche weltanschauungen & ansaetze akzeptabel, legitim & welche nicht ernst zu nehmen sind – & das, obwohl die bedeutungen der kommunikation in jedem von uns unterschiedlich erst entstehen & ferner unsre lebenswelten, die perspektiven & gesetzmaeszigkeiten unserer traeume, die wir bisweilen wagen, realitaet zu nennen.

Jutta v. Ochsenstein: im Schatten

es gibt die Inhalteprüfer 
für die Metafacebook-Sauberkeit:
Menschen kauern vor Bildschirmen
Bildschirme mit Gewaltfilmen 
jede Gewalt: menschliche Abgründe

Inhalteprüfer sind aus ärmsten Ländern
von täglichen verstörenden Bildern traumatisiert
für ein sauberes Meta für uns alle

es gibt die Doku: Im Schatten der Netzwelt
kämpfen Inhalteprüfer für ihre Behandlungskosten 
im Schatten der Milliarden

Jakob Leiner: HELLSEHEN

es ist sehr gut möglich 
dass ich nachher unter 
dem einfluss eines glas 
rotweins mich an den 
schreibtisch begebe und 
schnell aus einer idee 
ein gedicht entwerfe 
das der stimmung an 
gemessen ist ihr sogar 
schmeichelt das kommt 
ganz darauf an was  
das gedicht möchte  
ich für meinen teil werde 
dasitzen und höchst 
wahrscheinlich denken 
man man ist das meta.  

Lea Schlenker: Weird Fish on Land

Wir sind seltsame Fische an Land
Grabräuber im Meer
Umweltzerstörerinnen in der Luft

Totengräber Europas
Lieferantinnen und Dramaqueens
Ich bin Sternzeichen Fische
Und daher immer etwas pathetisch
Manche sagen unter Wasser
Sieht man die Hand vor den Augen nicht
Und unter der Dusche
Weint es sich am besten

In meiner Kindheit
Waren die Fische das Highlight
In jedem Zoo
Eingesperrt und mit offenen Mündern
Wie ich
Bis ich endlich achtzehn bin
Mein Traum war New York City
Und tanzen wie Delfine unter Wasser
Ich muss immer daran denken
Was meine Mutter sagte
Ein hübscher Mann ist schwer zu finden
Aber sie hinterlassen Schuppen an jeder Strassenecke

Friggin’ fish
Wetzen die Messer
Ich bin Sternzeichen Fische
Und kann unter Wasser meine Hand nicht sehen
Meine Mutter sagte mir
Ein kluger Mann ist schwer zu finden
Drum lohnt es sich zu prüfen
Sich ewig an die Fische zu binden

Lena Kratzer: Fiat Panda

Immer hat es dich getragen,
von Ort zu Ort gefahren
über Autobahnen und Landstraßen.
Ein Dach über dem Kopf,
am Lenkrad deine Fingerabdrücke.

Ein Geruch von Abenteuer mischt sich
mit dem Gegenwind vergangener Sommertage.
Erinnerungen in Nebelscheinwerfern,
Musik als Begleitung.

In den Ritzen der Sitze
Erdnussreste der letzten Fahrt.
Doch da umarmt schon bald wieder
der Panda die Frau Meisendraht.

Michael Schmidt: Wuiser und die Legenden

„Also, ich weiß nicht. Diese Heiligen, das sind schon lauter seltsame Leut. Kennen Sie einen Heiligen? Ich meine, persönlich? Nein? Dumme Frage auch von mir. Weil Heilige, denen sieht man’s zu Lebzeiten auch gar nicht an, dass sie welche sind. Die werden ja erst dann heiliggesprochen, wenn sie schon lang tot sind. Trotzdem denk ich mir, kann’s ja sein, dass man schon mal einem begegnet ist, hier im Bus herinnen oder in der Sauna oder im Wirtshaus und so weiter. Anmerken tut man es ihnen halt nicht unmittelbar. Und einen Heiligenschein, den kriegen sie auch erst nachher. Als Voraussetzung, dass man ein Heiliger werden kann, muss man ja erst einmal ein paar Wunder gewirkt haben. Nachweislich! So wie der Herr Hämmlein zum Beispiel. Der studiert mittlerweile schon seit 26 Semester, und trotzdem studiert er allweil noch und kommt darum auch immer wieder dem Arbeitsamt aus. Dass der das überhaupt schafft, ist für uns alle ein Rätsel. Und dass er in seinem Alter dann auch noch fünf Nächte pro Woche durchmachen kann, grenzt schon an ein Wunder. Dass der das überhaupt so aushält, mein ich! Ist ja nicht normal. Schon fast übermenschlich! Nach 23 Semester allweil noch studieren, das ist ja schon extrem, aber nach 26! Also, wenn dem das nicht mal als ein Wunder ausgelegt wird, würd mich das tatsächlich wundern. Ein anderes Wunder, von dem auch eine Legende umgeht, ist das von dem einen Vorfahr da vom Professor Wuiser. Dem ist eines Tags einmal ein Zweig aus dem Hirn gewachsen. Wie von einem Zwetschgenbaum so einer. Ja! Tatsache! Kommt in der Früh so auf und denkt sich: Mensch, was hab ich denn da am Hirn oben! Hab ich mich da gestern im Rausch etwa noch wo angerannt? Nein, weil wie er da dann so abtastet, stellt sich heraus, dass da ein Zwetschgenzweig aus seinem Hirn rauskommt. Der hat dann natürlich gleich die volle Panik gekriegt, aber mit der Zeit kann man sich ja bekanntlich an alles gewöhnen. Noch dazu, weil ihm der Pfarrer gesagt hat, dass das halt ein Wunder ist und für Wunder nichts Seltenes, dass einem da oder dort wo was rauswächst, mit dem man gar nicht gerechnet hat. Und der Vorfahr vom Herrn Wuiser hat dann halt damit gelebt. Hat recht bald sogar die Vorteile da gesehen und von den Leuten Geld bekommen, damit sie ihn sehen und dieses Wunder anbeten dürfen. Und wie der Zwetschgenzweig auch noch getragen hat, hat er daraus einen Schnaps gemacht und auch den verkauft. Ist reich geworden damit! Und darum geht noch heut die Legende vom Wunder-Wuiser um. Nur der Professor Wuiser selbst, der winkt nur immer wieder ab, wenn wir drauf zu sprechen kommen. Der glaubt nicht an das Zeug, sagt er immer wieder. Außerdem glaubt der eh gar nichts. Der glaubt ja nicht einmal, dass der Herrgott damals barfuß übers Wasser gegangen ist.“

Margit Heumann: Vom Sautreiben

Pass auf, wenn du eine Sau im Stall hast. Sie braucht ein weiches Bett aus Stroh, will gefüttert, gestriegelt und gestreichelt sein. Und halte sie von fremden Sauen fern, sie könnten sie mit Krankheitserregern infizieren. Du sieht, Ihr Wachsen und Gedeihen erfordert deine ganze Aufmerksamkeit und jede Menge Lernbereitschaft, denn deine Nachbarn werden dich mit guten Ratschlägen über Futterqualität, Antibiotika, Wachstumshormone überhäufen, die Nachbarn haben das alles schon hinter sich und angeblich beste Erfolge damit erzielt. Am Ende hast du alles ausprobiert und weißt nicht mehr, was deiner Sau gut getan und was ihr geschadet hat und fürchtest schon, dass sie eines viel zu frühen Todes stirbt.

Sei vorsichtig, wenn du Sauen anderer Züchter bewertest. Studiere zuerst die gängigen Zuchtziele, lerne alles über Ertrag und Fleischqualität, bevor du über Fruchtbarkeit, Krankheitsresistenz, Stresstoleranz und Magerfleischanteil schwadronierst. Wundere dich nicht, wenn deine Ansichten belächelt, ja als unqualifiziert abgetan werden, weil Einigkeit darüber herrscht, dass es dir nicht ansteht, das Maul soweit aufzureißen.  

Gib acht, wenn du deine Sau auf den Markt treibst. Du musst damit rechnen, dass man dir deine schöne Sau neidet, den Erfolg missgönnt, dass es ein Spießrutenlaufen wird, es hagelt Hiebe von allen Seiten und du kannst noch von Glück sagen, wenn es nur Ruten sind und keine Schwerter, die deine Sau in Stücke hacken, bis sie faschiert im Dreck der öffentlichen Missgunst liegt. Da kannst du nur den Kopf einziehen, dich ducken und so schnell wie möglich in den Stall zurückrudern.

Und du hast wieder etwas gelernt: Wenn nächstes Mal eine Sau durchs Dorf getrieben wird, wirst du unbedingt zu denen gehören, die Spalier stehen und Ruten haben.

Lea Schlenker: Die Auktion

Als ich die Auktion betrat
Hatte ich ja keine Ahnung
Als ich die Auktion betrat
Hatte ich ja gar keine Wahl
Wo sollte ich denn sonst hin
Auf der Suche nach ein bisschen roher Emotion

Die Welt wurde an den Bestbietenden verkauft
Und nun ist die Auktion beendet
Alle stehen auf und wollen ein Stück von mir
Ein Stück Leber und eine Träne und die zwei Augen
Meine Zähne und eine Haarsträhne ausgerissen und zwischen zwei Buchseiten geklemmt
Dieser Ausverkauf flasht mich überhaupt nicht mehr
Gar nicht so wie früher oder
Vielleicht war ich auch gar nie auf der Suche nach irgendwas

Mein Streikbrecher und ich sind wild wie Wölfe
Und rot wie das brennende Athen
Mein Streikbrecher und ich sind wild wie Wölfe
Wo bist du mein Kleiner?
Wir haben uns doch mal zu Musik im Supermarkt geküsst
Zwischen Mangos und Avocados
Haben Coupons zerrissen und ein Feuer gemacht
Ruth Bader Ginsberg zur rechten und Mariah Carey zur linken

Wir sitzen in einem Restaurant und geben unsere Daten nicht an
Eine fette Pappmachepuppe starrt uns an
Sie starrt uns während des Hauptgangs an
Sie starrt uns während des Desserts an
Sie sieht uns sogar beim Weinen zu als wären wir Fische in einem Aquarium
Ich sehe zu Dladlinia rüber und sie schluckt und sagt
Ohne Acid kann ich diese Weltuntergangsstimmung einfach nicht richtig geniessen
Verstehst du was ich meine

Denke an kleine Metallteile in der Luft
Und ich langweile mich
Und ich hasse das
Und ich hasse diese Hitze gefolgt von Regen gefolgt von Kälte gefolgt von Feuer
Die Stadt und die Menschen
Die den Olymp bestaunen und ein Foto machen
Solange er noch steht
Während im Hintergrund die Flammen lodern
Und riesige Fluten von Asche und Blut auf uns zu kommen

Und ich bereue dass ich an dieser Auktion dabei war

Sabrina Marzell: Legenden

Ihre Nase blutet schon wieder. Vergiss nicht zu spucken und schau dir die Wolken an. Ich wühle so lange im roten Sand nach deinem Zahn.  Der Boden zieht mich an 


Die Fliegengittertüre schnalzt. Jemand zerhackt Kreide. Als ich in die Chipstüte greife, klatscht Steffi´s Hand in mein Gesicht. Sie wird mit dem Schimmelreiter untergehen 


Im Schatten der Reben. Der größte Idiot im ganzen Viertel zündet gerade die Parkbank an. Seitdem teilen wir uns zweieinhalb Quadratmeter Balkon 


Mein erster Bezug zur Form ergab sich aus dem formen von Matschfiguren. Meine Brust pochte und ich schüttelte den Kopf, als ich die übrig gebliebenen Körperteile (kleine Zweige) in der Pfütze liegen sah 

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Ungläubig verließ ich den Ort