Zeha Schmidtke: Wildnis

Ein milder Dienstagnachmittag. Auf der schmalen Straße vor dem berankten Ziergartenzaun pickt eine Elster an etwas frisch Überfahrenem.

Hinter dem Zaun ist der Kinderspielplatz heute kaum besucht. Zwei Eltern schaukeln ihr korpulentes Kind mit gemeinsamer Kraft. Eine weitere Mutter hat sich auf die Holzumrandung des Sandkastens gesetzt und beobachtet glücklich seinen Säugling, der im Sand liegt und mit den Ärmchen rudert. 

Zu ihr setzt sich ein drahtiger Fremder und beginnt mit leiser Stimme grußlos dieses Gespräch.  

– Ist das da Ihrer? 

– (zustimmend) Das ist Paul.

– Der kann ja gar nix.

– Wie bitte?

– Liegt im Sand und kann kaum den Kopf oben halten. Erbärmlich.

– Hallo? Er ist gerade mal fünf Monate alt!

– In der Wildnis wär er keine drei Tage alt geworden. 

– Aber sonst geht es Ihnen gut, ja? 

– Sie sollten sich lieber fragen, ob das gut ist, was Sie da tun. Sie erziehen Ihr Kind zu einer Beute!

– Ich pass schon auf, keine Sorge.

– Das Giraffenjunge wird bereits wenige Minuten nach seiner Geburt von seiner Mutter zum Laufen gezwungen. 

– Das kann man doch nicht vergleichen!

– Warum? Sind Sie dümmer als eine Giraffe?

– Werden Sie mal nicht pampig. Es reicht langsam!

– Sehen Sie sich die schwächliche Frucht Ihrer Lenden doch an! Wenn sich ein Raubtier mit offenem Rachen auf ihn stürzen würde, dann könnte er nicht einmal den Kopf heben, um seinen Henker zu betrachten!

– Wissen Sie: Raubtiere sind auf Kinderspielplätzen dann doch eher selten.

– Wie lang will Ihr Kind noch warten? Die Welt wartet nicht auf Ihr Kind! 

– Und Sie sind schon als Löwenbändiger auf die Welt gekommen, oder was?

– Ich war mal genau so wie Ihr kleiner Schwächling da. Aber widrige Umstände haben mich früh auf eigenen Beinen stehen lassen. 

– Tja. Wir haben halt alle unser Schicksal…

– Die Eltern von einem Lastwagen gerissen. Ich musste mich schnell allein behaupten. 

– Das ist traurig. Aber Paul ist trotzdem noch ein Baby! Wenn er in Ihrem Alter ist, dann wird er auch für sich sorgen können.

– So schnell soll aus diesem hilflosen Wurm ein überlebensfähiger Krieger werden? Sind Sie sich da sicher?

– Natürlich bin ich mir da sicher.

– Was glauben Sie: Wie alt bin ich?

– Ist mir doch egal. Mitte, Ende Dreißig. Die Ecke.

– Ich bin auf den Tag genau sieben Jahre und drei Wochen alt.

– Was?

– Ich sagte doch, dass mich die Umstände früh auf eigenen Beinen haben stehen lassen.

– Quatsch.

– Hier mein Geburtsarmbändchen mit dem Datum. Das Einzige, was mir blieb. Wenn Sie Ihrem Sohn einen Gefallen tun wollen, dann stehen Sie jetzt auf und lassen ihn hier zurück. Sonst lernt er es nie.

– Das ist doch gefälscht…

– Sehen Sie! Er isst Sand! Er beginnt bereits, für sich selber zu sorgen! Sie sind es, die ihn bremsen. Gehen Sie! GEHEN SIE!

Janina Dotzauer: Freiheit.

Früher oder später im Verlauf unseres Lebens streben wir alle nach Freiheit.
Rauschendes Meer und eine Prise Salz auf der Zunge. Die Wellen brechen sich im Sand.
Ich lausche den Möwen im Wind und spüre die Sonne auf meiner Haut.
Entsteht Freiheit nicht zuerst im Herzen? Frage ich mich.
Ich gucke in die Weite des Meeres.
Was sich wohl hinter dem Horizont verbirgt?

Meine Gedanken kreisen und das Gefühl der Leichtigkeit verfliegt. Ich höre das Kreischen der untergehenden Menschen im Meer. Ich komme mir seltsam vor. Weiß, privilegiert und ohne größere Sorgen. Ich kann einfach hier sein. Ich kann doch einfach frei sein.
Dann höre ich mein Schreien von damals, als ich ihn verlor. Ein so sanfter Gesichtsausdruck von ihm bildet sich in meinem inneren Auge vor mir ab. Er wirkt erlöst und so als ob er bereits an einem anderen Ort ist. Ich erinnere mich an den Augenblick, bevor sie ihn mitnahmen. Eine unendliche Sekunde breitet sich in mir aus. Bis jetzt habe ich nicht Tschüss gesagt. Wir werden uns niemals wieder sehen und doch vergeht kein Moment ohne an ihn zu denken. Während ich die Wellen des Meeres so beobachte und meine Gedanken kreisen, erinnere ich mich an die Steine, die er immer ins Wasser geworfen hat.

Die Steine, die du ins Meer wirfst, kannst du meistens nicht wieder finden, aber du kannst dich sehr wohl an sie erinnern. Die sinkenden Steine verwandeln sich in leuchtende Diamanten, wenn sie untergehen und in der Tiefe des Meeres verschwinden. Vielleicht verknüpfst du die hüpfenden Steine im Meer mit einem Gefühl der Freiheit. Du lässt sie los und findest sie nie wieder.
Bevor das so ist, siehst du ihnen für einen kurzen Moment zu, wie sie über die
Wasseroberfläche springen, um anschließend zu verwinden. Ähnlich wie ein Hase im Feld, der um sein Leben rennt, weil der Bauer übers Feld mäht.

Ist der Moment die Freiheit?

Das Leben ist so heimtückisch. Manchmal fühlt es sich einfach so leicht an, um dir in einem anderen Moment dein Herz zu zertrümmern.

Das Meer, die wilde Natur, das einfach Machen, das Sein.
Früher hat sich das immer angefühlt wie unendliche Freiheit.
Aber sind wir nicht alle Fische in einem unendlichen großen Meer? Es gab für mich diese Momente der Freiheit. Doch jetzt frage ich mich, können wir Menschen überhaupt frei sein?

Wenn wir das Wasser verlassen, dann trocknen wir aus und überleben doch nicht.
Mit jeder weiteren Sekunde, die ich lebe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob wir wirklich frei sind. Niemals bin ich nämlich frei von meinen Gedanken.

Es gibt zum Beispiel die körperlichen Grenzen. Auch wenn wir so tun, als ob wir unsterblich sind. Wir ignorieren den Tod, schmieren uns die Anti Aging Creme ins Gesicht und arbeiten bis wir umfallen. Ich komme zu dem Entschluss, dass der Mensch im 21. Jahrhundert alles andere als frei ist. Er leugnet den Tod und vergisst so oft zu Leben.
Unsere Freiheit endet, spätestens wenn wir mit dem echten, manchmal eiskalten und
dennoch schönen Leben konfrontiert werden und keine Antworten mehr haben. Wir stehen da. Verlassen von der eigenen Vernunft. Verlassen von dem eigenen Verstand. Verlassen vom Glauben. Verlassen von all den guten Geistern. Verlassen von der Fantasie, die uns doch sonst so oft von der Realität befreit hat.

Jeder Atemzug fühlt sich an wie der Knast, den man sich selbst baut und aus dem man dann wieder ausbrechen will.
Ich komme zu dem Entschluss, dass ich glaube, dass die Freiheit nur im Befreien liegt.

Freiheit ist ein Gefühl.
Freiheit ist ein Gefühl deines Herzens. Wenn dein Herz beschädigt ist, kannst du nicht frei sein. Egal wie sehr du dich bemühst. Deswegen ist es auch egal, wieviel du verdienst oder was du leistest, wenn dein Herz kaputt ist, wirst du niemals die Freiheit fühlen können.

Ich denke, wenn du frei sein willst, musst du als erstes dein Herz befreien.

Das Herz befreit sich immer nur für den Moment von deinen Gedanken, sodass du
letztendlich nur im Hier und Jetzt frei sein kannst. In der Zukunft wirst du nicht freier sein, wenn du nicht jetzt freier bist.

Also bin ich jetzt in diesem Moment frei und erinnere mich zurück an den eisgekühlten Schluck Cola in einer Florenzer Kaffeebar und dem glückseligen Gefühl, welches währenddessen durch mein Innerstes zog. Ich fühle die Freiheit dieses vergangenen Moments und lasse mich von dieser Energie beflügeln im Hier und Jetzt. Die Freiheit des Moments transformiert in mein Jetzt.

Genauso wie mein eigenes Bewusstsein das Gefühl von Freiheit abspeichern kann und in das Jetzt übertragen kann.
Genauso kann mein eigenes Bewusstsein der Käfig meiner Gedanken sein, aus dem ich mich befreien muss.

Ich will mich befreien, hier und jetzt in diesem Moment, will ich frei sein von den dunklen Gedanken, die mir in den Kopf steigen, während ich die Wellen des Meeres beobachte.
Ich will mich befreien, um meiner Fantasie den freien Lauf zu lassen.
Und so verwandeln sich die am Ufer überschlagenden Wellen zu einem Rhythmus des Lebens.
Alles kommt und geht in einem mehr oder weniger gleichen Rhythmus.
Mal sind die Wellen höher und manchmal sind sie niedriger. Alles geschieht unabhängig von meinen Gedanken.
Und so gehört für mich zum Leben auch der Tod. Sich von dieser Angst zu befreien, bedeutet für einen Moment, unendliche Freiheit zu erfahren, bevor man wieder vor der nächsten Herausforderung steht.

Ich kann also frei sein für einen kurzen Moment. Die andere Zeit verbringe ich damit, mich zu befreien. Von der Last, der Schuld, dem Schicksal, dem Zufall.
Am Ende des Tages stelle ich mir jedoch immer noch die Frage, ob ich wirklich frei sein kann.

Ich bewundere das spielende Kleinkind neben mir, welches bereits seit einiger Zeit ganz vertieft eine Sandburg baut.
Ist es nicht eine der größten ungelösten Fragen der Menschheit, ob der Mensch wirklich frei sein kann?
Bis zum Schluss wird die sich immer wandelnde Gesellschaft damit beschäftigt sein, sich von den Stigmatas der Menschen, den verkorksten Gedanken und den großen Ungerechtigkeiten befreien zu wollen.
Bis zum Schluss werden wir immer wieder an unserer Freiheit scheitern, bis sie uns
weggenommen wird, um dann wieder für sie zu kämpfen.
Nichts ist selbstverständlich um uns herum, auch nicht unsere Demokratie, für die einst viele Menschen ihr Leben lassen mussten, um endlich Freiheit zu erlangen.

Matt S. Bakausky: Freiheit ohne Waschmaschine

Freiheit bedeutet für mich eine Waschmaschine, um die eigene Wäsche zu waschen. Kennst du die Bilder von den glücklichen Menschen in Indien, die ihre Wäsche im Fluss waschen? Nein, ich habe keine Waschmaschine also verbringe ich viel Zeit im Waschsalon. Aber ich drücke mich davor, da es viel Zeit kostet. Viel zu viel Zeit, aber ist eigentlich meist ziemlich entspannt im Salon.

Betrete ihn durch eine Klapptüre und spiele eine Runde Poker mit dem ein oder anderen Ass im Ärmel. Bis ich auffliege und es draußen zum Duell kommt. Dann muss ich für meine Freiheit kämpfen, aber ich bin ein guter Schütze. Und meistens rennt der Gegner weg, wenn ich ihm zack den Hut weggeschossen habe. Den Leben ist den meisten doch wichtiger als die Poker-Ehre.

Im Poker bin ich mittelmäßig und das reicht für einen mittleren Platz in der Highscore beim Briefpoker online. Früher war das Internet Freiheit für mich, mit Menschen kommunizieren, die viel Interessanter waren, als die Kinder in der Schule. Mit denen kam ich nur durch Saufen in Kontakt. Besoffen fühlte ich mich frei. Mit einer Kippe im Mund, wie ein Cowboy aus der Werbung.

Irgendwann habe ich dann erfahren, dass Freiheit gar nichts mit Zigaretten zu tun hat. Schuld war die Lektüre von obskurer Literatur. Erfuhr, dass die meisten Menschen wie Roboter ihrer Konditionierung hinterherlaufen. Da begann ich mich zu dekonditionieren, das lief immer eine Weile gut, nur kamen da Persönlichkeitsanteile zum Vorschein, die irgendwie im Konflikt mit der konformen Mehrheit standen und mir wurde die Freiheit entzogen.

Die Polizei fand mich merkwürdig und steckte mich erst mal auf Freiheitsentzug in die Klapse. Dort war ich dann wirklich frei, denn Verrückte können tun und lassen, was sie wollen. Na ja, so weit wie es die aktuelle Konditionierung zulässt. Also nur ein wenig mehr als die Normalen. Fliehen aus der Klinik war ganz ok, wurde dann irgendwie langweilig, als mir das Geld ausging.

Freiheit hat auch mit Geld zu tun. Nicht umsonst sagte mir ein Guru: Schau, dass du dich bildest und den Menschen nützlich machst, um Geld zu verdienen und mehr Freiheit zu erlangen.

Ein paar Jahre später merkte ich, dass ich es nicht schaffe, meine Konditionierung komplett abzulegen und das die eigentlich ganz ok ist. Der Drang nach Freiheit brachte mich auf die Idee, dass Gedanken mich einschränken.

Also lebte ich eine Zeit ohne Gedanken. Ließ das Leben Leben sein, ohne es zu bewerten.  Aber das war etwas problematisch, als die Emotionen mich wieder ins Denken drangen. Erwachen schön  und gut, aber die Emotionen der unteren Chakras sind trotzdem nicht weg, nur weil das Kronen-Chakra sich öffnet. Habe ich dich an dieser Stelle verloren?

Ich sitze immer noch in meiner Wohnung, die Wäsche stapelt sich. Der Waschsalon wartet, hat jedoch jeden Tag offen. Ich bin happy, aber das geht auch vorbei. Und Freiheit? Freiheit ist ein Wort. Die Bedeutung dahinter ist, was ich suche.

Julian Knoth: Die Stunde Fahrt

Die A9 kurz hinter der Brücke der Deutschen Einheit. Wir lassen die Raststätte Frankenwald hinter uns liegen. Fahren noch ein Stück weiter. Hier irgendwo muss sie sein – die Freiheit. Shell Autohof in Triptis. Eigentlich egal wo. Such Dir irgendeinen Ort aus. Irgendeinen der Kategorie „noch-nie-gehört“. Ich steige aus dem Van. Mir ist kalt. Nehme doch noch schnell die Jacke mit. Ich muss auf’s Klo und bin unterzuckert. Shell Autohof in Triptis und nicht Frankenwald. Denn Sanifair und Serways sind der Feind. Ich würde ja gerne, aber ich kann es nicht.  Ich meine, mich unter der Sanifair-Schranke durch zu drücken. Deswegen Autohof. Am liebsten für Trucker ausgelegt und mit Souvenirs. Das einzige Souvenir, das ich mir je gekauft habe war ein „Verbot der Einfahrt“- Verkehrszeichen als Sticker. Klebt auf meinem Laptop. Kann ich euch mal einen mitbringen, wenn ich mal wieder unterwegs bin. 

Zurück zum Text. 

Wir befinden uns schließlich immer noch im Shell Autohof in Triptis.  Auf der Toilette war ich mittlerweile und überlege nun, ob sich lohnt noch etwas gegen den Hunger zu unternehmen, oder ob ich doch lieber abwarten sollte. Ich verachte mich dafür, dass sagen zu müssen, aber ich muss leider beichten, dass eine Bockwurst mit Senf und Brötchen schon öfter die Rettung in höchster Not war. Heute nicht. 

Die Stunde Fahrt halte ich noch durch. 

Wisst ihr noch wie das riecht? So ein Club? Für mich immer im Moment des Ankommens nach Putzmittel und Bier und später dann nach Schweiss und Bier. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal vermisse. 

Die Stunde Fahrt halte ich noch durch.

Ich habe aufgehört den alten Zeiten hinterher zu trauern. So alt bin ich dann auch wieder nicht. Der Blick geht nach vorne. Nur unlängst, als ich mal wieder auf der Autobahn war und mir eine Bockwurst mit Senf und Brötchen gekauft habe, wurde ich kurz nostalgisch. Ja, ich schäme mich dafür. Für die Bockwurst und die Nostalgie und für mein Verlangen, mir noch einen verbrannten, scheußlichen Kaffee hinterher zu kaufen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal vermisse. 

Die Stunde Fahrt halte ich noch durch. 

Freiheit ist zu merken, was man wirklich vermisst. 

Das Gefühl der Freiheit kann man nicht in Worte fassen.

Morgens im Hotel. Viel zu viel mittelmäßiger Kaffee. Orangensaft in diesen kleinen Gläsern. Ein Brötchen bekomme ich irgendwie runter. 

Scheiße bin ich privilegiert.

Zülküf Kurt: Minerva’nın baykuşu

“Saatin on ikiyi geçmediği bu yer, bir külkedisi masalı bile etmiyor.”

Barbarlarla beklerken, Mehmet Mahsum Oral

Kendini gördüğün sudan kaçman, yüzünü saklaman… Tanıyamadığın bir beden… Aniden dönüştüğün şeyin bir adı, hâlâ hiç ara vermeden dönüştüğün şeyin götürdüğü bir yer olmalı… Ya yoksa diye başlayan tüm korkuların bir kâbusu olmalı. Biz, bu kâbusun çocukları, korkular dünyasının acımasız sokakları, varoşun en keskin bıçakları, sözümüz var, hınca ve korkuya bulanmış kanlar arasından. Bu defa bizi dinlemek zorundasınız. İşte, şimdi kaçamayacağımız bir denizin tam ortasındayız…

Gemilerin altına sürülen katran kadar ağır bir suyun içinde, kollarımız yorgunluğa teslim. Büyük sözler söyleyeceğim birazdan, şefkatten uzak. İçinde merhamet barındırmayacak bir kürsüden konuşacağım, gözüm uzak, sesim yakına düşerken. En yakınımızdakinin bizi çektiği aşağılarda, karanlıklarda dolanıp da çıkmayı ihanet sayanların bozkırlarından bu ses. Çıkmayacağız bu koyu karanlıktan, ışığın ucu görünse bile…

Akasyaları yere düşürecek kadar sertleşse de rüzgâr, henüz kırılmadı içimizdeki zincirler. Bir daha, bir daha vur… Daha güçlü, en ince noktasına… Çekicin murca değdiği yeri dümdüz edercesine… Ardı ardına, güçten takatten düşmemecesine. Daha çok bilenerek, daha çok hınçlanarak. Zor bir doğum bu. Demirden ve mermerden bir çocuktur doğacak olan. Şimdi anlıyor musun fırlatılan çekiçle birlikte yükseklere sinen “Diril..!” yankısını…

Neyle var olacaksın tozdan ve kilden başka? Suların ıslattığı taşlarda kaymaman maharet sayılmaz bu gaddar çağda. Yeteneğin kalmaya değil, ölmeye yazgılı. Dirhem dirhem tükeneceksin. Ne yapsan da batacaksın bu bataklığa. Belki bir timsah yemeyecek seni… Yenilme korkusuyla değil, yavaş yavaş batacaksın gittikçe milleşen bu toprağa… Batmaktan korkmaz kimse düşmekten, yenilmekten korktuğu kadar… Ölecek kadar zamanımız olacak ne de olsa…

Orta yaşlı, şapkalı bir adam olta attı denize. Üç defa boş çıktı olta. Dördüncüsünde balık kaçmayı başardı. Beşincisinde biraz daha umudu yükseldi adamın. Altıncısında öfkesi bilendi. Yedincisinde öfkesi aklını zehirledi. Sekizincisinde balık kaybetti. Sudan bir balık azaldı, karada bir balık öldü. Balıkçının her gün öldüğü kıyılarda…

Sözüm var! Dinleyin beni! Bunca yılın ardından herkese iki kelam etmeye hakkım var. Yapabildiklerimin hanesinde kalamadım. Yapamadıklarım ise hep günah diye yazıldı. Ben hiçbir yerde olmadım oysa. Siz vardınız bütün evlerde, ama hiçbiriniz de kalmadınız, bana kal dediğiniz hiçbir yerde. Hepinizin bir adı var, fakat hiçbirinizin bir adı yok. Söyleyin desem, hikâyelerinizin yalnızlığından koşar adım kaçarsınız… Neden bunca zaman bastırdınız peki, yok etmeye çalıştınız bu kadar şeyi? Ne zannediyorsunuz kendinizi? Kimsiniz siz?

Bir suya düşen taş kadar değeriniz yok diye bağırdıkların karşı kıyıda. Sen çoktan kaybettiğin bir savaşın adasında. Rutubet… Demir ranza… Kan ve kum… Ne yapsan ilk dalgada, ilk fırtınada boşa düşecek. Sen bir Sisifos Söyleni’nin içinde değilsin. Çaresizliğini öfke dışında anlatacağın bir kağıdın bile olmayacak… Ne kadar bağırabilirsen bağır, sesin aşamayacak bu dalgaları… 

Öfkenin doruğuna çıkacak bu koridorlar. Yeraltındaki tünelleri bul mutlaka. İlk tünelden gitme, sonu yıkık. İkinci tünelin ortası kuyu. Üçüncü tünelden yürü. Öfkenin koridorlarında koşarcasına… Bağır, çağır, haykır! Sen de kus öfkeni, büyüt bu denizi, yükselsin sular… Dindirilmesini bekleme bu öfkenin… Bekledikçe bilen, hatırla… Daha çok, daha çok hatırla… Ve çıkamayacaksın o tünelden de, unutma…

Sesler seslere, sesler dalgalara karışırken, ayın yüreğimizi şişirircesine daha çok büyümesi. Suyun üzerine vuran bu ışığın üzerimizdeki örtüsü kalkınca ne kalacak öfkemizden geriye? Dalgalar alıp götürmeden, ya da uzaklara uçmadan önce söyleyeceklerimiz olacak, biliyorum. Ama ne bir kelime ne de bir söz hatırlıyorum… 

Lea Schlenker: Der Kaiman

 Der Kaiman

Ich habe die Nachricht aus der Zeitung erfahren. Sie hat es zwar nicht auf die Titelseite geschafft, allerdings war sie auch für Personen, die normalerweise bloß nach den Kreuzworträtseln Ausschau halten, kaum zu übersehen. Fett gedruckt und neben einem anschaulichen Bild aus der Mediendatenbank las ich folgende Schlagzeile:  Aargauer Polizei jagt in Hallwilersee Kaiman. 
Ich war gerade bei meinem morgendlichen Tee, einer entspannenden Mischung aus Alpenkräutern und frischer Kamille. Um diese Nachricht aufnehmen zu können, musste ich allerdings sicherheitshalber meine Tasse absetzen und einmal tief Luft holen. Ein Kaiman im Hallwilersee! Das war schon eine eher ungewöhnliche Nachricht. Ich wuchs nur wenige Dörfer weit entfernt von diesem See auf und während meiner gesamten Kindheit schwamm ich jeden Sommer in diesen Gewässern. Der Gedanke daran, gemeinsam mit einem kleinen Krokodil gebadet zu haben, wäre sicherlich für die meisten Menschen eher erschreckend. Allerdings war dieses Thema für mich aber noch auf eine ganz andere, auf eine persönliche Art und Weise ungewöhnlich.  
Mir ist nämlich vor ungefähr zwei Tagen aufgefallen, dass mein eigener Kaiman spurlos verschwunden ist. Zuerst dachte ich, er hätte lediglich frische Luft schnappen wollen, weil ihm vielleicht die Decke auf den Kopf gefallen ist. Als dann aber Stunde um Stunde verstrich und von ihm nicht die geringste Spur zu sehen war, wurde ich misstrauisch. Etwas war passiert. Ich wusste zwar nicht genau, wie er hätte verschwinden können – habe ich ihm doch nie das Türe öffnen beibringen können. Auch von den Fenstern hielt er sich in der Regel eher fern. Die Nachricht aus der Zeitung ließ bei mir aber wenig Zweifel aufkommen – das wird wohl oder übel mein Haustier in diesem See sein. Die Situation war nun leider etwas ungünstig, da der Besitz dieses Kaimans in einer rechtlichen Grauzone lag. Mir gefällt der Ausdruck illegaler Handel nicht besonders, aber es war mir leider nicht möglich, das Tier auf rechtmäßige Art in meinen Besitz zu bringen. Ich habe viele Freunde verschiedenster Art. Manchen bin ich bis heute noch ein oder zwei Gefallen schuldig.  
Aber darum ging es nicht. Mein Haustier war verschwunden, und ich wollte es wiederhaben. Nachdem ich alle möglichen Optionen abgewogen hatte, rief ich meinen Bruder Lukas an. Er war Journalist bei einer 
renommierten Wirtschaftszeitung, hatte also mit dieser Lokalsensation kaum was am Hut. Ich fragte ihn, ob er am Nachmittag Lust hätte, mit mir an den See zu fahren. Mit dem miefigen Brummen in den Hörer hatte ich in etwa gerechnet. Er mochte die Sonne nicht, auch das Baden lag ihm fern. Seine Definition von einem Traumurlaub bestand darin, jedes Jahr an denselben Ort in dasselbe Haus zu fahren, jenes dann nur zum Lebensmittel einkaufen zu verlassen und dann den ganzen Tag fernzusehen. Wenn es dazu noch zwei Wochen lang regnete, umso besser. Heute war ich aber dummerweise auf ihn angewiesen. Ich hatte kein Auto, konnte selber nicht fahren und für den alle zwei Stunden fahrenden, nicht-klimatisierten Bus fehlten mir die Nerven.
Und tatsächlich konnte ich ihn dazu überreden, mit mir an den See zu fahren. Wieso auch nicht? Die Hitze machte ihm mehr zu schaffen als jedem anderen, den ich kenne. Vermutlich sah er ein, dass ein Sprung ins kalte Nass die einzige Möglichkeit war, sich abzukühlen. 
Wir fuhren also kurz nach drei Uhr nachmittags los. Schon bald erreichten wir den Parkplatz vor dem Strandbad. Die anderen Autos glitzerten in der Sonne wie feurige Metallsärge. Hoffentlich hat auch niemand seinen Hund auf dem Rücksitz vergessen. Manchmal liest man im Sommer auch etwas von Kleinkindern, die in der Hitze auf dem Rücksitz explodieren. Nachdem wir den vermutlich letzten Parkplatz gefunden haben, stiegen wir aus und marschierten Richtung Parkuhr. Ich sah ein junges Mädchen, deren Erdbeereis so schnell südlich tropfte wie die Gletscher im 21. Jahrhundert. Zurück blieb bloß eine zuckergetränkte Waffel. Ich sah Lukas an. Er hatte noch nichts gesagt, seitdem wir losgefahren sind. Er verzog bloß hin und wieder das Gesicht, vielleicht weil er seine Sonnenbrille zuhause vergessen hatte. Er warf Münzen in die Parkuhr und wischte sich dazwischen immer wieder den Schweiß von der Stirn. Ich lächelte ihn an, er kniff aber bloß die Augen zusammen und machte eine Handbewegung Richtung Strandbad. Wir trotteten träge in das Freibad, beim Eintritt wollte man noch einmal je fünf Franken von uns haben. Die Frau an der Kasse sah müde und abgekämpft aus. Ich war ehrlich gesagt froh, wenn kein aufmerksames Personal herumschwirrte, während ich nach meinem Liebling sah. Wobei ich zugeben musste, dass ich mich noch nicht auf einen definitiven Plan festgelegt hatte. Wenn ich ihn sehen und nur kurz fünf Minuten mit ihm allein sein konnte, könnte ich ihn vielleicht dazu überreden, nachhause zu kommen. Wobei ich mir ehrlich gesagt keinen Reim darauf machen konnte, wieso er überhaupt verschwunden ist. Ich dachte, wir hätten es gut miteinander. Wie dem auch sei, Lukas sollte nichts davon erfahren. Der Kaiman mochte es ohnehin nicht so gern, wenn ich in Begleitung kam. Ich habe bisher nur meiner Mutter von ihm erzählt, und sie toleriert die ganze Sache mehr oder weniger, weil ich ihr versprochen habe, dass sie ihn ab und zu mal ausleihen darf, um die Tauben auf ihrem Balkon zu jagen. Aber begeistert war sie nicht, das wusste ich genau.
Wir suchten uns ein halbschattiges Plätzchen irgendwo hinter den Bäumen aus. Lukas legte sich auf das ausgebreitete Badetuch und schloss die Augen. Ich griff in die Tasche, fischte nach der Sonnencreme und verteilte einen Klecks nach dem anderen auf meiner Haut. Danach machte ich das gleiche bei ihm, wobei er weder zustimmte noch protestierte. So langsam wurde ich ziemlich ungeduldig. Hinter dem Vorwand, eine Abkühlung nehmen zu wollen, spazierte ich von den Sonnenanbeterinnen weg ins Ungewisse.  
Ich lief vom Strandbad fort, dem Wasser und dem Ufer entlang. Vermutlich versteckte er sich im Schilf, damit ihn niemand finden konnte.
Ich hörte Vögel kreischen und Kinder laut schreien. Ab und zu rief ich leise nach ihm, und wartete dann wieder. Ich setzte mich auf einen Steg und hoffte, die Sonne würde erst mal nicht so schnell wieder untergehen. Mir war klar, dass ich ihn nicht mehr finden würde, wenn es erst einmal dunkel war. Daher ließ ich den See keine einzige Sekunde lang aus den Augen. Weder Hunger noch Durst noch Langeweile überkam mich. Alles, was ich tat, war der Sonne beim Wandern zusehen und dabei nach dem Kaiman Ausschau zu halten. Grillen zirpten, Vögel zwitscherten, und was Tiere in der Sommerzeit noch sonst so alles an Geräuschen zu bieten hatten. Noch mehr Kinderschreie, ich versank in Gedanken zum Thema Verhütungsmittel. Bis mein Kaiman dann tatsächlich aus dem Wasser auftauchte. Er schwamm auf mich zu und hielt am Seeufer an. 
Kaimi, wieso bist du abgehauen?  wollte ich von ihm wissen.
Das war eine unglaubliche Sache, meinte er verwirrt, du wirst mir diese Geschichte niemals glauben. 
In einer ruhigen, mütterlichen Stimme hielt ich ihn dazu an, mir doch zu erzählen, was genau passiert war. 
Du hast die Tür nicht abgeschlossen, und als deine Mutter geklingelt hat und niemand geöffnet hat, ist sie schnurstracks rein und zu mir ins Bad. Sie bat mich, mit zu ihr zu kommen, da die Tauben auf ihrem Balkon außer Kontrolle waren und der Plastikrabe, den sie aufgestellt hatte, um die Tauben zu verscheuchen, bloß weitere Raben angelockt hatte, die nun bei ihr lebten und ihre Walnüsse stahlen. Ich dachte, ich will nicht unfreundlich erscheinen, und begleitete sie daher zu ihr nach Hause. Allerdings hat sie nicht übertrieben – so viele Tauben wie auf ihrem Balkon habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich konnte nicht einmal erkennen, was noch Balkon war und wo die Tauben anfingen. Dementsprechend war ich völlig machtlos. Als ich die Tauben anschrie, sie sollen verschwinden, lachten sie bloß und schissen mir auf den Kopf. Nun war ich auch noch blind, und das einzige, das ich noch mitbekam, war, wie sie mich mit ihren Dinosaurierfüssen packten und über Himmel und Lüfte hinwegtrugen, bis ich mich endlich losreißen konnte und hier im See landete. Allerdings kenne ich den Heimweg nicht mehr. Als ich ein paar Angler fragen wollte, machten die bloß Fotos und rannten weg. Aber es macht nichts, denn es gefällt mir hier. Das Wasser ist tief und die Enten schmecken hervorragend.
Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich ihm helfen wolle, ihn wieder bei mir in der Badewanne platzieren wollte, aber er tauchte bereits wieder runter und verschwand in der Tiefe.  Bevor ich etwas unternehmen konnte, tauchte aber schon wieder Lukas hinter mir auf. Sein Gesicht war rot und verschwitzt. Er trug sein graues T-Shirt und hatte orange klebrige Flecken auf der Brust. Dem Anschein nach wollte er wieder nachhause, ganz im Gegensatz zu meinem Krokodil.
Ich hob bloß meine Schultern, ohne etwas zu sagen. Wenn er sich normalerweise dazu entschieden hat zu gehen, dann nutzte es in der Regel nichts, mit ihm zu diskutieren. Ich stand auf und zog das Kleid über, das er für mich mitgenommen hat. Es war das Kleid, das ich schon lange entsorgen wollte, es war puderrosa und ich sah wie ein Schwein aus darin. Wenn mich mein Kaiman noch sehen könnte, würde er vermutlich denken, ich wäre sein Abendessen und mich fressen.  
 
Einige Tage später lief ich an einer Zoohandlung vorbei. Im Schaufenster stand, man solle sich ein Reptil zutun, das seien Freunde für die Ewigkeit. Darunter ein Foto einer Eidechse, die im Wasser plantschte. Ich war erstaunt über dieses Zusammenspiel von Zufällen und betrat das Geschäft. Hinten im Laden, hinter dem Tresen, konnte ich einen gelangweilt wirkenden Verkäufer erspähen. Vor ihm hinter der Vitrine tummelten sich Eidechsen, Schildkröten, Bartagame und Geckos. Ich marschierte auf ihn zu und erklärte ihm meinen Wunsch. Er kratzte sich am Kopf, sagte ein paar Mal verstehe und griff dann nach einem Katalog. Er zeigte auf ein Bild. Ein so genannter Dornschwanzagame war zu sehen, der allerdings nicht einmal einen Meter groß werden würde. Ich schüttelte den Kopf. Der Haustierfachmann blätterte etwas im Buch und zeigte dann auf ein anderes Tier. Ich seufzte und runzelte die Stirn. 
„Tut mir leid, das ist leider das Einzige, das wir in diese Richtung haben. Wenn Sie möchten, kann ich noch meinen Kollegen rufen, der kennt sich besser aus mit der Haltung von größeren Reptilien.“  
„Ist schon in Ordnung. Trotzdem danke.“  
Die Bartagame hinter der Vitrine starrten mich mit ihren ausdruckslosen Knopfaugen an. Ich fragte mich, ob sie wohl auch lieber ein kleines Krokodil wären. Oder zumindest frei. 
 

Margit Heumann: Freiheit im Wandel

Es war einmal ein kleines Mädchen, das lernte die Freiheit beim Zuhören kennen. Oma, erzähl mir eine Geschichte, und schon durfte es sich in Fantasiewelten tummeln. 

Es war einmal ein Schulkind, das holte sich die Freiheit aus Büchern. Mit einem Buch vor Augen entfernte es sich aus der engen Umgebung, weg von den Hausaufgaben, vom lästigen kleinen Bruder, von der fordernden Mutter, von allen Pflichten. 

Es war einmal ein Mädchen, das wollte nicht immer nur anziehen, was die Mutter nähte, was die anderen trugen. Schließlich hatte der Papa Erbarmen: sie bekam eine Hose, dunkelblau, dreiviertellang, mit roten Kordeln an den geschlitzten Aufschlägen. Diese Hose machte sie zum ersten hosentragenden Mädchen im Dorf – der Inbegriff der Freiheit. 

Es war ein mal ein Teenager, die sah ihre Freiheit darin mit Worten zu provozieren. Sie war gegen alles: Gegen frühe Schlafenszeiten, gegen regelmäßiges Essen, gegen die spießige Wohnungseinrichtung, gegen die Verwandtschaft, gegen die Erwartungen der Mutter, gegen die Ansichten des Vaters, gegen den sonntäglichen Kirchgang. Taten beschränkten sich auf die Mitgliedschaft in einem Europaclub und immer noch auf Hosen zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. 

Es war einmal eine Berufsanfängerin, für die es Freiheit bedeutete, die sichere Arbeitsstelle im Nachbardorf aufzugeben, den Freund zu verlassen und für ein Jahr nach England zu gehen. Der Preis war verdrängtes Heimweh, aber jeder Tag hatte sich gelohnt.

Es war einmal eine Zwanzigjährige, die nahm sich die Freiheit zweierlei Leben zu führen. Es gab das streng geregelte Tagleben im Büro von acht bis 17 Uhr, das ihr Wohnung, Auto und Plattenspieler finanzierte. Es gab das Nachtleben mit Studenten, Künstlern und Dichtern, die nach der Arbeit bei ihr aufschlugen zu gemeinsamem Kochen, Trinken, Rauchen und Diskutieren, was ihr chronischen Schlafmangel brachte.

Es war einmal eine Fünfundzwanzigjährige, der waren zweierlei Leben nicht genug. Sie verfolgte einen neuen Freiheitstraum und heuerte zwei Monaten beim Zirkus an  – und machte die Erfahrung eines anstrengenden und extrem reglementierten Alltags.

Es war einmal eine Familie, die hatten ihre Wunschtochter und wollte noch ein Kind. Um gleichzeitig einem Kind zu helfen, entschied sie sich für eine Adoption, ohne Not und freiwillig. So ganz nebenbei war die Mutter dadurch auch von der Mühsal einer zweiten Schwangerschaft befreit. 

Es war einmal eine selbständige Kleinunternehmerin, die entschloss sich nach dreißig Jahren das Landleben aufzugeben und das Kontrastprogramm Großstadt zu wählen. Dieser Schritt gab ihr die Freiheit einer bisher unterdrückten Leidenschaft zu frönen. 

Es war einmal eine Frau, die hatte wechselvolle Jahre hinter sich und wenn sie einmal gestorben ist, hat sie ihr ganzes Leben immer neue Freiheiten gesucht und gefunden. 

Zeha Schmidtke: Ein Tag vor dem Abend

Ich lief durch die Felder und tollte
und streichelte zart einen Baum 
er rauschte mir zu, dass er’s wollte 
früh morgens und halb noch im Traum 

Dann biss ich mich in fremdes Leben
und liebte und wollte doch fort
wer liebt, muss die Freiheit aufgeben
gebunden an Mensch und an Ort

Wir schworen bis mittags noch Schwüre   
und gaben der Wahrheit dann Laut:
wär besser, wenn ich jetzt führe
ans Meer oder aus meiner Haut. 

Ich ging, kreuz die Stadt, ihre Knoten   
begegne dem Wahn und sei’m Sinn 
sprech mit Lebenden, spreche mit Toten. 
spür, wie müd und wie wach ich doch bin

Der Abend, der Körper braucht Ruhe
Kehre ein, find als Gast einen Platz
warmer Ort und ich öffne die Schuhe
auf dem Schoß schnurrt vom Gastwirt die Katz.

Zartheit, Suche, Flucht und Verwirrung
Bot mein Tag. Als ich von ihm sprach 
zu dir. Sitznachbar. Zufallsbegegnung, 
da fragst du, was ich eigentlich mach.

Denn da war gar nix dabei, was sich rechnet
und man muss auch was tun, was sich trägt
gern gehaltvoll, solang es Gehalt gibt
das dann das, was man schafft, auch belegt
„Komm, ich kauf dir was ab“, lacht und brüllt er
von der Lyrik, da fehlt es ihm eh 
und dann wäre doch alles erfüllter:
seine Ehe und mein Portemonnaie
Einen Tag, nein, nichts halbes, wir tauschen 
Wolkenkuckucks- und Eigenheim ganz
Er wird mit meinen Geistern plauschen
und ich leb einen Tag in Konstanz.

Und da lachen wir beide so traurig
wer ist Abel und wer ist jetzt Kain?
Katze leckt mir die Hand, doch die brauch ich  
Außer: „Zahlen“ fällt mir nichts mehr ein.

Peter Momberg: Ich möchte mich vor euch öffnen

Ich möchte mich vor euch öffnen.
Ich bin pEtEr Momberg.
Ich pisse mir in die Hose.

Ich pisse mir in die Hose wenn ich Alkohol getrunken habe. Ich werde diskriminiert, weil Männer die sich einpissen noch immer ein Tabu sind. Öffentliches einpissen, ihr bekommt Anzeige.

Ich spreche es aus: pEtE pisst sich ein.

Wer nnocch Karl Dall im Fernsehen genießen durfte, weiß was ich meine. Heute dagegen Ausgangssperre fürs Gehirn, ich habe gelesen Schuld und Sühne und habe nichts verstanden, warum wird dieses Buch heute noch verlegt. Kein Fortschritt in der Geschichte erkennbar.

Ich pisse mich ein, nicht weil ich krankhaft bin (das seid ihr und die Gesellschaft), sondern weil ich keine Toilette aufzusuchen will. Einpissen ist ein Ausdruck meiner Selbstentfaltung, die von der homophoben und sexistischen Gesellschaft unterdrückt wird. pEtE klagt an.

Freie Entfaltung der Persönlichkeit: Schon vor Corona ein leeres Versprechen. Schon damals Probleme wenn ich mich eingepisst habe. Ubahn, Rückfahrt Hamburg Centrum nach Bergedorf anno domine, hat Frau gleich Polizei gerufen. Niemanden angepisst, nur auf Sitz. Doppelmoral wie Ying und Yang, niemand rafft die Scheiße. Frau gibt Maulkorb für meinen Körper, intolerante Gesellschaft ist: Zensur.

Pisse riecht erst wenn sie alt wird. Ich habe eine Waschmaschine (Bosch) ihr dullis. Wo ist das Problem? In euren Köpfen.

Ich habe drei Vorschläge:

1. Wichtig ist, dass Pisse gesehen wird. In der Werbung und in Zeitungen.

2. Es muss einen Raum geben für die reale Darstlelung vom pissen, aber nur wenn man es sehen will.

3. Allianz für freie Körperausscheidungen muss Demonstrationsrecht erlangen, bitte beantragen.

How dare you? Mein Beitrag wird in die Geschichte eingehen als Befreiung für Menschen. Bitte druckt ihn aus und lest ihn jeden Tag 1x durch, damit ihr eure dumme Insel der Intoleranz verlasst und euch die Utopie einer Welt aus Brüderlichkeit und Solidarität wahrhaftig wird.