Markus Nondorf: Der Tod kommt zum Kaffee

A: Guten Morgen! G U T E N Morgen!
B: Wie, was, schon aufstehen?
A: Ob das noch nötig sein wird, ist die Frage.
B: Wer bist Du, äh ich meine, wer sind Sie? Und was wollen Sie von mir?
A: Ich denke , wir können ruhig beim Du bleiben!
B: Ah, ja, gut, dann, wer bist du, ich meine, wie heißen Sie?
A: Du, wie heißt Du, wir waren beim Du.
B: Ja, gut, also wie heißt DU?
A: Das kannst Du dir aussuchen.
B: Häh?
A: Naja, wenn man sich sein Schicksal schon nicht selber aussuchen kann, so darf man es doch wenigstens selbst benennen. Du bist also völlig frei ihr einen Namen deiner Wahl zu geben. Du darfst mich nennen, wie du willst?
B: Auch Rumpelstilzchen?
A: Auch Rumpelstilzchen! Wenn Du das unbedingt möchtest, aber wir sind hier nicht bei den Gebrüdern Grimm, sondern in der Gertrudstrasse beim Weltuntergang.
B: Beim was?
A: Beim Weltuntergang, oder was dachtest Du, warum ich hier bin? Um dein Geschirr
abzuwaschen sicher nicht, obwohl mir das durchaus als notwendig erschiene.
B: Gut, du könntest auch das Bad putzen!
A: Die Zeit für schlechte Scherze schwindet schleunig. Und ein blitzendes Bad ist jetzt auch nicht mehr von Belang.
B: Also, du willst weder Geschirr spülen noch Bad putzen, ich nehme daher nicht an, dass du dich als Haushaltshilfe bewerben möchtest. Was also ist dein Begehr, was kann ich für dich tun?
A: Du könntest es mir Lichter machen und ohne Fragen zu stellen und ohne Spirenzchen zu machen mit mir kommen. Das tun nämlich die wenigsten.
B: Wohin?
A: Mist!
B: Was?
A: Jetzt hast Du schon die erste Frage gestellt.
B: Ja und?
A: Na ich sagte doch grade, dass es sehr nett von dir wäre, keine. Zu stellen, und dass du dann zu einem kleinen elitären Zirkel, dem Zirkel der Fraglosen, gehörtest.
B: Das mit dem Zirkel hast du nicht gesagt. Und außerdem hab ich ich dich vorhin schon nach deinem Namen gefragt.
A: Ja, aber das zählt nicht! Nach dem Namen fragen alle, auch die Fraglosen. Und außerdem musst du ihn dir ja sowieso selbst aussuchen. Das gehört zum Spiel dazu.
B: Welches Spiel?
A: Wie man halt so sagt, das gehört zum Spiel, oder das ist des Pudels Kern, oder die Axt im Haus…
B: Willst du mich jetzt foppen oder was? Wird das hier ein lustiges Zitateraten ? Hast du mich deswegen geweckt?
A: Nein, ich habe dich geweckt, weil in den nächsten Stunden, Minuten oder Sekunden der Weltuntergang stattfindet. Und somit musst auch Du mit!
B: Ich? Mit? Zum Weltuntergang? Ne ne, meine Liebe, ich bleib schön zu Haus. Ich hab extra frische Garnelen eingekauft, die gibt es nachher mit Knoblauchsahnesosse und einem herrlichen Pinot Grigio. Und wenn du nett bist, geb ich dir auch gern ein Tellerchen ab. Mit frischem Parmeggiano!
A: Du glaubst doch wohl nicht dass ich mich bestechen lasse! Der Trick funktioniert seit dem Brandner Kaspar nicht mehr. Ausserdem mag ich kein Knoblauch.
B: Ertappt: du bist ein Vampir.
A: Haha! Hier, siehst du?
B: Was?
A: Hgrrrr….schon wieder eine Frage! Aber nein, guck doch, keine spitzen Eckzähne, im Gegenteil ein Spitzengebiss, sozusagen makellos! Ich rieche nur nicht gern danach. Schließlich muss ich ja auch Männer abholen. Und die versuchen vorher immer noch zu flirten. Und da hilft es, wenn man nicht schlecht riecht- Hhhhhhhh…..siehst du? Äh riechst du?
B: Ich rieche nichts!
A: Eben! So muss es sein. Kein Mundgeruch! Das schafft Vertrauen, hast du Vertrauen?
B: Ich kenn dich ja noch gar nicht wirklich, erst seit ein paar Minuten und seitdem redest du auch nur merkwürdiges Zeug. Und ich weiß immer noch nicht, wie du eigentlich heißt!
A: Ich sagte doch: wie du willst.
B: Wie jetzt? Die heißt: Wieduwillst? Komischer Name.
A: Ich heiße wie DU willst, oder wie du möchtest, oder wie du es gern hättest, dir du wünschst, wie man halt so sagt! Also: verdammt nochmal! Entschuldigung. Ich soll eigentlich nicht fluchen, aber damit wir hier endlich weiterkommen: such dir gefälligst einen Namen aus für mich!
B: Na gut, ich nenne dich….ich nenne dich….achneeee , hast du denn keinen eigenen Taufnamen? Was steht denn in deiner Geburtsurkunde?
A: Ich bin nicht geboren.
B: Wie was? Nicht geboren? Aber du musst doch irgendwie auf die Welt gekommen sein. Wie hießen oder heißen denn deine Eltern?
A: Du sollst verdammt nochmal – Entschuldigung! – nicht so viele Fragen stellen. Es ist, wie es ist.
B: Und wie ist es?
A: Wie ist was?
B: Das frag ich dich.
A: Ach ja, gut…. Du musst einfach mitkommen. Wenn du deinen Tod benannt, hast, gibst du mir deine Hand, deine Seele, dein Herz und wir gehen—-
B: Wohin?
A: iiiihhh neee, schon wieder diese Frage! Jede und jeder und aber wirklich ALLE stellen diese Frage.
B: Logisch!
A: Logisch aber trotzdem sinnlos?
B: Großes Fragezeichen!
A: Weil ich es selber nicht weiß! Ich hole dich ab…und nach einer Weile gehst du allein weiter und ich bleib wieder allein zurück. Immer bleib ich allein. So und jetzt mach, bin mir einen Namen und dann gehen wir.
B: Und wenn ich dir keinen gebe?
A: Dann muss du mich einfach so nennen, wie es geschrieben steht. Gevatter oder Herr Tod oder Frau Tod oder Tod oder halt Tod.
B: DU bist der Tod?
A: Ich bin DEIN Tod. Dein ganz eigener ganz persönlicher Tod.Und heut hol ich dich ab.
B: Warum?
A: Auf diese Frage antworten wir Tode nicht..aber heute… Heute ist Weltuntergang.. Da gehen alle, die da sind.
B: Nenenneneneneeeee soooo nicht! Ich bestehe auf einen individuellen, schicksalshaften, erinnerungswürdigen, einzigartigen Tod…. Ich geh doch nicht, weil alle gehen. Nené, da musst du dir was besseres ausdenken. Von einem wahnsinnigen Liebhaber erschossen werden, das ist okay. Da geh mit, meine Liebe..aber ein Weltuntergang? Ne, das ist mir zu billig. Da mach ich nicht mit. Da kannst du dir eine Andere suchen..
A: Geht nicht! Ich bin dir dir zugeteilt ich habe 52 Jahre auf dich gewartet… Heute morgen kam die Depesche: „Abholen! Weltuntergang!“
B: Als jetzt hör mal zu, Kleine! Ich hab nicht die Absicht, irgendwo hinzugehen, wo ich nicht weiß, was mich da erwartet, nur weil irgendwer eine Depesche mit „Weltuntergang“ herausgibt. Und wieso überhaupt? Kannst dur mir wenigsten sagen, was los ist?
A: Trump!
B: Wie, „Trump“?
A: Trump ist los! Er hat die Codes geöffnet.
B: Welche Codes?
A: Für die Koffer! Mit den Knöpfen, für die Bomben. Und jetzt sitzt er da und ist im Begriff drauf zu hauen und schreit andauernd: Weil ichs kann, weil ichs kann!
B: Mir wird das alles jetzt zu blöd, ich mach mir jetzt erstmal einen Kaffee! Egal ob sich das lohnt. Du auch? Milch? Zucker?
A: Schwarz!
Ende

Moses Wolff: Amok

Zetti: Mir langts jetza! Hab echt koan Bock mehr!
Spurti: Was hast denn?
Zetti: Woasst hey, mei Chef ist a Drecksau, mei Frau geht mer ziemlich sicher fremd, andere Weiber schaung mi mim Osch ned o, Freind hab i ausser dir koan oanzign, d Gläubiger renna ma d Bude ei, meine Kinder finden mich lächerlich – und jetzt hat mer aa no mei Haftpflichtversicherung kündigt!
Spurti: Und was machst jetza?
Zetti: Mein Plan steht fest: i lauf Amok.
Spurti: Is auf jeden Fall al Alternative. Und wia hättst der des denkt, wia wuistas ostein?
Zetti: Ja, oiso, da hab i mer scho was überlegt. Kannst du zufällig a Pumpgun auftreim?
Spurti: Puh, na wissad i im Moment ned, wo…
Zetti: Zur Not duads a Küchenmesser aa.
Spurti: Im Zweifelsfall, ja, Küchenmesser, des kannt geh. Und wia wuist na ofanga?
Zetti: Du, i hab ma denkt, i hock mi erst amoi in a so a Café, wo oiwei d Studenten higenga, wei des san ja meine ganz besonderen Freind. Und na verwickelt is in a Gespräch, was woass i, Fuassboi oder Vorlesungsverzeichnis oder irgendan andern Kas. Na hör i mir den Schmarrn o und werd hundertprozent in kürzester Zeit wahnsinnig aggressiv. Und dann, wenn i komplett auf hundertachtzge bin, na geht’s los. Bam bam bam bam, sovui mitnehma wias gähd.
Spurti: Mhm. Interessant. Aber, was mi no interessieren dad: is dir des dann wichtig, dass das tatsächlich umbringst oder dads der scho glanga wannstas schwer verletzt?
Zetti: Du, i glaub, in dem Moment kriagst so an Adrenalinrausch, dass des wurscht is.
Spurti: Glabi aa. I glaub, da zählt dann mehr die Quantität als die Qualität.
Zetti: Genau. Wichtig is aa a guads Timing, weil i schätz moi, dass nach zehn Minuten d Bullerei auftaucht und den Schmarrn gib i mir gwieß ned. Da muass i dann im richtigen Moment die Reißleine ziehn.
Spurti: Reißleine? Wia moanst des?
Zetti: Harakiri. Zack! Weg. Auf WIEDERSCHAUN. Arrividerci. Habe die Ehre. Ciao. Auf Wiedersehn, good bye.
Spurti: Ja, des is a vernünftige Konsequenz.
Zetti: Des is da Höhepunkt von am ordentlichen Amoklauf. Ohne des kannt is glei bleim lassn.
Spurti: Und wann wuist des macha?
Zetti: No ned so boid. Vielleicht in zehn, fuchzehn Jahr.
Spurti: Asooo. Und i hab scho denkt, jetz boid, moing oder so.
Zetti: Spinnst du? Naa, die nächste EM gib i mir auf alle Fälle. Und WM aa. Und vielleicht nimmt mi ja in da Zwischenzeit a andere Haftpflichtversicherung, dann spar i mer die ganze Gschicht komplett.
Spurti: Ageh. Wer braucht denn heitzdag scho a Haftpflicht?
Zetti: Spinnst du? A Haftpflicht is sauwichtig. A du bist lustig.

Untot in Gostenhof: (3) "Die große Angst"

Obwohl draußen finstere Nacht herrschte und die schweren schwarzen Vorhänge vor den beiden Fenstern sorgfältig zugezogen waren, tröpfelte von irgendwo her milchiges Zwielicht in das Schlafzimmer. Im Bett, das an der Wand stand, lagen Onkel Serban und der Schattenlose und hatten die dicken Daunendecken bis an die Nasenspitzen hochgezogen. Auch von Ida und Tante Mathilda, die sich im großen Ehebett gegenüber der einzigen Tür eng aneinander schmiegten, waren nur die Köpfe zu sehen. Alle vier schwiegen sie und starrten gebannt auf den Ziegenschädel, der über dem Türbalken an die Wand genagelt war; eine angstvolle Anspannung schwebte fast greifbar im Raum. Plötzlich ließen drei harte Schläge an der Tür die Liegenden heftig zusammen zucken. Onkel Serban riss sich zusammen und fragte mit belegter Stimme:
»Wer da?«
»Ich bin’s, Vladimir. Lasst mich hinein!« lautete die Antwort.
»Es ist offen«, rief Serban.
Ein schwarz gekleideter Mann, um dessen dürren Schädel sich ein verfilzter Haarkranz wand, trat hastig ein. Von seinem Rock rieselte leise Staub, ein intensiver Geruch nach Moder breitete sich rasch aus.
»Wo warst du so lange?« zischte Ida. »Wir haben uns bereits Sorgen gemacht!«
»Tut mir leid«, krächzte Großonkel Vladimir, »ich bin noch einmal eingeschlafen.«
»Wir haben keinen Platz mehr in den Betten«, jammerte Tante Mathilda. »Wo soll Vladimir bloß hin?«
»Ich setze mich einfach in den Schrank«, sagte Vladimir gelassen und verschwand lautlos in Mathildas wuchtigem Kleiderschrank.
Wieder wurde es vollkommen still im Raum, und vier Augenpaare starrten auf die gehörnte Schädelplatte über der Tür. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis Mathilda es nicht mehr aushielt.
»Jedes Jahr das gleiche!« brach es aus ihr heraus. »Irgendwann ertrage ich das nicht mehr!«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Serban und bemühte sich, seine Worte ruhig und fest klingen zu lassen. »Wir haben es bisher noch jedes Mal überlebt, und auch dieses Jahr werden wir es wieder schaffen.«
»Und wie war das damals, als ihr euch drei Tage lang in dem Sarkophag des Bischofs verstecken musstet?« fragte Ida, und in ihrer Stimme mischten sich Angst und Vorwürfe. »Als alle Einwohner des Dorfes nach euch suchten, und sie mit Fackeln in jeden Keller stiegen?«
»Weißt du, wie lange das her ist?« verteidigte sich Serban.
»Mir kommt es so vor, als wäre es gestern gewesen«, wimmerte Mathilda und zog die Decke endgültig über den Kopf.
»Und als die jungen Burschen mit Hammer und Eichenpflock über den Berg kamen, weil sie meinten, ihren Mut beweisen zu müssen?« ergänzte der Schattenlose. »Onkel Drago hatte damals unverschämtes Glück, dass sie ihm nur ein Loch in den Wams bohrten!«
In diesem Moment näherte sich auf der Straße, von den Vorhängen kaum gedämpft, das Geräusch eines Dieselmotors. Ein Auto hielt direkt vor dem Haus, zwei Türen wurden geöffnet und wieder in Schloss geworfen. Alle hielten den Atem an. Schritte waren zu hören, eine Stimme rief etwas unverständliches. Erst, als sich das Motorengeräusch längst wieder entfernt hatte und die Welt draußen wieder in tiefes Schweigen gefallen war, atmeten die vier eingemummten Gestalten vorsichtig auf.
Diesmal bracht der Schattenlose, der bisher mucksmäuschenstill seinen roten Haarschopf ins Kissen gedrückt hatte, das Schweigen.
»Verdammt! Verflixt und zugenäht«, schimpfte er.
»Das macht mich echt fertig! Da!« flüsterte Ida mit erstickter Stimme. »Sie kommen wieder! Hört ihr?«
Tatsächlich hörten alle ein schnarrendes Geräusch, dessen Ursprung sich nicht ausmachen ließ.
»Ein Motor ist das nicht«, sagte Serban.
Alle lauschten gebannt auf das Brummen, das scheinbar immer lauter wurde, je länger sie angestrengt lauschten.
»Es ist Onkel Vladimir«, verkündete auf einmal Ida. »Er schnarcht.«
»Das ist doch zum Kotzen!« murrte der Schattenlose.
»Man könnte sagen: eine einzige Speisal!« kicherte Ida.
Nach kurzer Zeit begann Mathilda, zunächst nur leise und dann immer lauter zu lachen und endlich stimmten auch Serban und der Schattenlose in den Heiterkeitsausbruch ein. Da erklang plötzlich ganz nah der Schlag einer großen Glocke. Gewaltig dröhnte die tiefe Schwingung in dem kleinen Zimmer wie in einem Resonanzboden, und abrupt verstummten die vier. Immer mehr Glocken begannen zu läuten, von überall her dröhnten die Schläge, bis die Luft förmlich Wellen schlug wie ein Blech, an dem ein Zirkushühne rüttelt. Ida und Mathilda, Serban und der Schattenlose zogen die Bettdecken über den Kopf und verharrten in angstvoller Starre. Dann, anfangs fast unmerklich, ebbte der Klang der Glocken wieder ab, nach und nach verstummten sie, bis es schließlich wieder vollkommen still in der Welt außerhalb des Zimmers war.
»Geschafft!« schrie da Ida und sprang aus dem Bett. Sie hatte komplett angekleidet unter der Decke gelegen. Aus einer der Taschen ihres schwarzen Kleides fischte sie hastig eine Zigarette und zündete sie sich an. »Wir haben es geschafft!« rief sie.
»Dem Teufel sei es gedankt!« seufzte Mathilda stand ächzend auf.
»Seht ihr«, sagte Onkel Serban und zog knirschend seine Stiefel an. »Wie ich es gesagt habe: der Ostersonntag kommt und geht, ohne dass uns jemand belästigt hätte…«
»Und Großonkel Vladimir?« fragte der Schattenlose.
»Der kann weiter im Schrank bleiben«, sagte Tante Mathilda. »Es reicht, wenn er sich morgen wieder in seinen Sarg im Keller verzieht. Wir trinken jetzt als erstes einen Likör, würde ich sagen, zur Feier des Tages den besten Blutbeerenlikör westlich der Karpaten.«


 

Erzähler: Carsten Striepe
Ida: Julia Gruber
Onkel Serban: Moses Wolff
Tante Mathilda: Verena Schmidt
Der Schattenlose: Philipp Abel
Onkel Vladimir: Arthur Roscher

Regie/Schnitt:
Andreas V. Weber
Titelmusik:
Andreas V. Weber

Untot in Gostenhof: (2) "Hochzeitsvorbereitungen im Wald"

Der Schnee fiel in dicken Flocken vom nächtlichen Himmel über der Stadt, als ein silbernes Auto langsam um die Ecke einer verwaisten Straße bog und vor einem uralten Wohnhaus stehen blieb, über dessen Hauseingang zwei fauchende Fratzen, die kunstvoll in den Sandstein geschlagen waren, die Besucher willkommen hießen. Wie aufquellender Hefeteig wälzte sich Dunkelheit zwischen den spärlich gesetzten Straßenlaternen, in deren blass-gelben Lichtkegeln die Schneeflocken wie Schmetterlinge tanzten. Die junge Frau am Steuer des Wagens trug trotz der Finsternis, die sie umgab, eine Sonnenbrille.
Sie zündete sich eine Zigarette an, deren Glut ihrem bleichen Gesicht einen orangefarbenen Schimmer verlieh. Sie blies den Rauch gegen das beschlagene Seitenfenster und drückte zwei mal hintereinander scharf auf die Hupe. Kurz darauf öffnete sich die Tür des Hauses, in dessen Fenstern nirgendwo Licht brannte. Zwei dunkle Gestalten traten heraus, beide waren in dicke schwarze Mäntel gehüllt und barhäuptig, das Haar stand ihnen in wilden Büscheln vom Kopf, dem kleineren der beiden wie ein Reisigbesen steil nach oben, dem anderen in alle Richtungen wie ein weißer Flammenkranz.
»Hallo, Ida«, sagte der kleinere der beiden Männer.
»Hallo Schattenloser. Hallo Onkel Serban«, begrüßte Ida ihre beiden Fahrgäste.
Ida gab behutsam Gas und lenkte das Fahrzeug vorsichtig durch die frische Schneedecke um die nächste Kurve. Die Spur der Räder erinnerte Passanten, die wenig später über die Kreuzung stapften, an eine große Schlange, die sich um eine Frauengestalt windet, aber natürlich waren die Sichtverhältnisse miserabel und die Leute betrunken. Der Schattenlose saß in der Mitte der Rückbank und beugte sich so weit vor, dass er Ida seitlich ins Gesicht sehen konnte.
»Bei allen heulenden Höllenhunden«, sagte er, »ich bin Dir unendlich dankbar, Ida, dass Du uns bei diesem Sauwetter in den Wald fährst.«
»Keine Ursache, Alter«, sagte Ida und ließ den Wagen mit Hilfe der Handbremse um eine scharfe Kurve schlittern. »Die Angelegenheit fängt bereits an, mir Spaß zu machen.«
»Weißt Du schon, was Du morgen Nacht auf der Hochzeit anziehen wirst?« fragte Onkel Serban seine Nichte und zündete sich einen Zigarillo an.
»Wärst Du so nett und würdest mir auch eine Kippe anzünden?« erwiderte Ida, »Ehrlich gesagt, weiß ich es noch nicht. Ich schwanke noch zwischen einem rückenfreien schwarzen Kleid mit langen Ärmeln und dem schwarzen Kleid mit dem tiefen Ausschnitt, das ich bei Tante Mathildas zweihundertstem Geburtstag anhatte.«
»Du siehst sowieso immer umwerfend aus«, schmeichelte der Schattenlose. Ida zog missbilligend den linken Mundwinkel empor und entblößte einen langen, kalkweißen und nadelspitzen Eckzahn. »Spar dir deine leblosen Komplimente! Wie bist Du eigentlich mit dem Bräutigam verwandt, Schattenloser?« fragte sie den Schattenlosen.
»Das ist ein wenig kompliziert. Sein Urgroßvater und der Großonkel meiner Mutter sind Halbgeschwister. Degenerierter Landadel, sie stammen aus der Gegend um Schäßburg.«
»Ha« quittierte Ida diese Erklärung. »Im Vergleich zu unserer Sippe in Transsylvanien sind das ja geregelte Verhältnisse!«
Inzwischen hatten sie die letzten bewohnten Vororte hinter sich gelassen und Ida steuerte den Wagen sicher über Feld- und Forststraßen tief in den Wald, der sich rings umher schwarz über das hügelige Gelände ausbreitete.
»Wo genau müssen wir lang, Onkel Serban?« fragte Ida.
»Noch ein wenig geradeaus, die Anhöhe dort vorne hoch und danach bis zu einer Wegkreuzung. Dort halten wir uns links und sind dann auch schon da.«
Bald hielt Ida auf ein Zeichen Serbans hin den Wagen an und stellte den Motor ab.
»Ich warte hier auf euch«, sagte Ida, nachdem im und um den Wagen eine Weile absolute Stille geherrscht hatte.
»Wir werden uns beeilen«, versicherte Serban, »Und es macht dir wirklich nichts aus, im Auto auf uns zu warten?«
»Nein, gewiss nicht. Göring wird mir Gesellschaft leisten, stimmt’s Göring?«
Eine fette schwarze Spinne seilte sich vom Dachhimmel des Wagens herab. Sie blieb auf Höhe des Rückspiegels, der ein menschenleeres Wageninneres zeigte, hängen und signalisierte Zustimmung, indem sie leicht am Faden wippte.
Serban und der Schattenlose stiegen aus, und Serban schulterte seine antike Schaufel. Die beiden verschwanden zwischen den dicht wachsenden Fichten.
»Wie weit ab vom Weg liegt er?« fragte der Schattenlose, dessen kantige, breite Schultern wie ein Pflug durchs Unterholz brachen. Klebriger Schnee platschte von den Ästen und tote Zweige knackten unter dem festen Tritt der Männer.
»Sechsundsechzig Schritte von der verdorrten Birke aus«, erklärte Serban. Er wirkte gegenüber seinem Begleiter sehr groß und elastisch, und zwischen seinen Lippen, die er stumm bewegte, während er zählte, dampfte der kurze Rest des Zigarillos. Nach genau sechsundsechzig Schritten blieb er stehen und rammte die Schaufel in den Boden.
»Hier ist es«, verkündete er, indes er keinen Zweifel an der Richtigkeit seiner Angabe ließ. Sie begannen abwechselnd zu graben und hoben in kürzester Zeit ein rechteckiges Loch aus, das genauso breit und so lang war wie ein Grab.
»Oh weh, mein Kreuz«, stöhnte Serban einige Male, wenn er sich gerade aufrichtete. »In meinem Alter sollte man einfach nicht mehr nachts im Wald Löcher graben.«
Dann stießen sie schließlich auf die vermoderten Reste eines Bretts, das sie behutsam aus der Grube zogen, so dass das Skelett eines darunter begrabenen Toten offen vor ihnen lag. Serban machte seinen Arm ganz lang und griff routiniert nach dem Brustbein des Toten, dessen Knochen von ledrigen Resten der Sehnen zusammen gehalten wurden. Serban zog den Knochenmann aus der Grube und streckte ihn auf der frisch ausgehobenen Erde daneben aus.
»Und – hast Du ihn?« fragte der Schattenlose und beugte sich über Serban, der sich in der Hocke an den knöchernen Händen zu schaffen machte. Um die Halswirbelsäule des Toten baumelte eine abgeschnittene Schlinge, das Seil war ausgefasert und verschimmelt, aber der Knoten hatte der Verwesung standgehalten.
»Hier! Wie ich es sagte, er trägt ihn noch am Finger«, frohlockte Serban.
Er richtete sich auf und hielt einen kleinen Gegenstand zwischen Daumen und Zeigefinger dicht vor sein Gesicht. Nachdem er den Ehering mit ein paar Tropfen Spucke an seiner Hose sauber gerieben hatte, glänzte das Gold im diffusen Widerschein, der zwischen den schneebedeckten Ästen hindurch sickerte.
»Danke, dass Du mir aus der Patsche geholfen hast, Serban. Als ich heute Morgen mit nur einem Ring da stand, war ich am Rande der Verzweiflung.«
»Kein Problem, Schattenloser«, winkte Serban ab und tätschelte die Schulter des Anderen. »Wir sollten jetzt zum Auto zurückgehen und zuvor möglichst rasch den Kollegen hier wieder in seine Grube schaffen. Ich bin ebenso bis aufs Gebein durchgefroren wie er hier.«
»Geht mir genauso. Ich habe mir schon gestern geschworen, dass ich mich zum letzten Mal freiwillig um Hochzeitsringe für die junge Anverwandtschaft gekümmert habe.«


 

Erzähler: Carsten Striepe
Ida: Julia Gruber
Onkel Serban: Moses Wolff
Der Schattenlose: Philipp Abel

Regie/Schnitt:
Lukas Münich
Titelmusik:
Andreas V. Weber

Untot in Gostenhof: (1) "Besuch am Balkon"

Durch die geöffnete Tür zum Balkon erschallte die Klingel an der Wohnungstür. Tante Mathilda stand auf und strich sich die Schürze glatt. „Nanu?“, sagte sie, „Besuch, so spät am Nachmittag? Erwartest Du noch einen Deiner Saufbrüder, Serban?“
Serban, der sich entspannt in seinem schwarzen Korbstuhl zurück gelehnt und die Beine ausgestreckt hatte, schüttelte den Kopf mit dem imposanten, weißen Haarschopf.
„Nicht dass ich wüsste“, sagte er und lächelte ein spitzbübisches Lächeln.
„Ach!“, rief Mathilda aus, „ich weiß, wer es ist! Es ist bestimmt der junge Mann aus dem dritten Stock, der sein Paket abholen will.“
Sie verschwand in der Küche, um zu öffnen. Es war ein herrlicher Sommertag, der gerade zu dämmern begann, und Ida saß seit dem Mittagessen mit ihrem Onkel Serban und ihrer Tante Mathilda auf dem Balkon. Auf dem Tisch stand noch das benutzte Geschirr vom Kaffeetrinken, ein paar Kirschkerne auf den Tellern waren das einzige, was von der großen, roten Sahnetorte übrig geblieben war.
Nach ein paar Minuten kam Mathilda zurück und schob einen jungen, dünnen Mann mit einer sehr geraden Nase und schmalen Lippen vor sich hinaus auf den Balkon.
„Ich dachte, der Herr Weber möchte sich auf eine Tasse Kaffee zu uns setzen. Einen so schönen Abend muss man auskosten!“
Ida seufzte und klopfte die Asche ihrer Zigarette am Balkongeländer ab. Sie wusste genau, dass ihre Tante permanent auf der Suche nach einem passenden Ehemann für sie war.
„Hallo“, sagte sie gelangweilt.
„Setzen Sie sich doch junger Mann“, sagte Onkel Serban leutselig.
„Noch einen Kaffee für Sie?“, fragte Tante Mathilda. „Oder darf es ein kleiner Kognak sein? Wir haben da einen ausgezeichneten bulgarischen… ?“
„Danke, weder noch. Ich will auch gar nicht lange stören“, sagte Herr Weber artig.
„Was arbeiten Sie eigentlich, Herr Weber?“, fragte Tante Mathilda. Sie legte großen Wert darauf, dass Idas zukünftiger Ehemann auch in der Lage wäre, eine Familie zu versorgen.
„Ich bin Ingenieur und habe mich auf Audio-Technologie spezialisiert. Ich arbeite in einem Forschungslabor, das Breitband-Mikrofone entwickelt“, antwortete der junge Mann.
„Oh, sehr interessant“, sagte Tante Mathilda, ohne sich wirklich für die Einzelheiten zu interessieren. Sie beobachtete Ida, die gelangweilt rauchte und mit den Augen, die hinter einer Sonnenbrille verborgen waren, den dunkelnden Himmel absuchte.
„Da!“, rief Ida, „Die erste Fledermaus!“
„Tatsächlich“, rief Herr Weber begeistert aus. „Diese Tiere sind etwas ganz besonderes! Sie orientieren sich mit Ultraschall-Impulsen, und können so auch Nachts zwischen den Bäume fliegen, ohne anzustoßen. Ich habe während meiner Diplomarbeit für einen Biologen einen Konverter entworfen, der Ultraschall-Signale in den hörbaren Bereich herunter bricht…“
„Interessant“, sagte nun auch Onkel Serban. „Wollen sie eine aus der Nähe ansehen?“
„Wie meinen Sie das, aus der Nähe?“, fragte Herr Weber verständnislos.
Doch anstatt zu antworten, stand Serban auf, und schleuderte mit einer Geschwindigkeit, die man bei einem Mann seines Alters nie erwarten würde, seine Hand nach vorne. Der Arm schien sich dabei über das gewöhnliche Maß hinaus zu stecken, im Zwielicht sah er aus wie ein Teleskop, das länger und länger wird, und im Schwung von Serbans Bewegung flatterten die Rockschöße seines altertümlichen Jacketts. Als Serban seinen Arm wieder einzog und sich hinsetzte, hielt er die rechte Faust fest geschlossen. Mit der linken Hand rieb er sich die Schulter.
„Argh! Mein Rücken ist wirklich nicht mehr das, was er mal war!“, stöhnte er, „Dieser verdammte Rheumatismus …“
„Das kommt davon, wenn man sich in jeder kalten und feuchten Nacht auf dem Friedhof herumtreibt“, belehrte ihn Mathilda überflüssiger Weise, aber man sah ihr deutlich an, dass sie im Grunde ihres Herzens die Schmerzen ihres Mannes mitfühlte und ihn, ohne sich selbst je zu schonen, pflegen würde.
Ida grinste verstohlen, und zündete sich die nächste Zigarette an. Sie amüsierte sich über das verdutzte Gesicht des jungen Mannes, der nun stotternd protestierte: „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass Fledermäuse unter Artenschutz stehen. Und auch Tollwut übertragen können, also vielleicht sollte man sie nicht einfach berühren oder so…“
„Wollen Sie sich das Tier nicht ansehen?“, fragte Serban, „Nein? Macht auch nichts,“ fuhr er fort und schob sich den Inhalt seiner Faust in den Mund. Er kaute ein wenig darauf herum, und man konnte das Knacken von zerbrechenden winzigen Knochen hören. Herr Weber wurde blass. Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
„Ich glaube, ich muss jetzt gehen“, sagte er hastig. „Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie nicht aufhalten. Nein, nein, ich finde alleine zur Tür.“
Im Handumdrehen war er verschwunden. Mathilda warf Serban einen strengen Blick zu: „Musst Du immer diese albernen Spielchen treiben, Serban?“ sagte sie tadelnd.
Serban spuckte die Splitter eines zermalmten Kirschkerns auf seinen Teller.
„Ich bin dir dafür dankbar, Onkelchen“, verkündete Ida, „dieser blutleere Typ ging mir von Anfang an auf die Nerven. Ein Ingenieur… !“
„Ida! So wirst du nie einen Mann abkriegen!“, schimpfte Mathilda.
„Will ich das, Tante Mathilda?“
Tante Mathilda schwieg beleidigt und machte sich daran, das Geschirr in die Küche zu tragen. Serban und Ida kicherten in unausgesprochenem Einverständnis. Dann steckte sich Onkel Serban einen Zigarillo in den Mundwinkel und Ida stieß zwischen den  Zähnen einen schrillen Pfiff aus.
Nur wenige Sekunden später landete die erste Fledermaus auf dem Balkongeländer. Ida schob den Ärmel ihres schwarzen Kleides hoch über den Ellenbogen und hielt ihren blütenweißen Unterarm dem Tier vor die Nase. Die Fledermaus neigte sich nach vorne und biss zärtlich in das helle Fleisch. Weitere Fledermäuse folgten und bald wimmelte der Balkon von schwarzen ledrigen Schwingen.
„Ach, ein so schöner Abend! Ich hätte nicht wenig Lust, meine Freundin Isabella zu besuchen“, seufzte Ida.
„Isabella?“, fragte Mathilda, die sich wieder zu Serban und Ida gesetzt hatte, mit übertriebenem Erstaunen. „Isabella? Du hast Isabella doch seit mindestens fünf Jahren nicht mehr besucht!“
„Ach Tantchen, nun übertreib mal nicht. So lange ist sie doch noch nicht einmal tot…“


Erzähler: Carsten Striepe
Ida: Julia Gruber
Onkel Serban: Moses Wolff
Tante Mathilda: Verena Schmidt
Herr Weber: Patrick Rank
Regie/Schnitt:
Andreas V. Weber
Titelmusik:
Andreas V. Weber

Andii Weber: Yoko und John – Eine Liebe aus Kaltschaum

Irgendwann in Amsterdam. Ein sonniger Morgen erhellt eine Suite in einer Jugendherberge. YOKO und JOHN erwachen gerade in ihre Flitterwochen hinein. Auf dem Tagesplan stehen heute eine original Industriehafenrundfahrt und eine coole Käseverkostung. Der Wecker gibt
einen Urschrei von sich. YOKO klappt hoch und begrüßt den Tag.

Y, herzallerliebst: Hui, was für ein schöner Morgen! Da möchte ich doch mal meinen Lieben Mann aufwecken. JOOOOHN! AUFWACHÄN JETZT! WIR HABEN HEUTE VIEL VOR!

John stöhnt, schält sich aus den Federn und sieht nicht ganz so frisch aus. Sein Bocklevel ist sichtlich low.

J: Was ist denn los mein Hasenpfötchen? Wie spät ist es denn?

Y, gewaltig schreiend: HALB SIEBÄÄHN! IN NER HALBEN STUNDE GIBTS ESSEN UNTEN!

J: Ach Rohrspätzchen, können wir nicht noch ein bisschen liegen bleiben? Nur 5 Minuten? Ich kauf uns dann später ne Dose Fisch und Chips unten am Hafen, ok?

Y: JOHN! KEINE AUSREDÄN! WIR WOLLEN DOCH SIGHTSEEING MACHÄN!

J: Ja schon, aber wir können auch noch in fünf Minuten Sightseeing machen, Hurzelpurz!

Y: WIR SIND HIER IN DER SCHÖNSTEN STADT EVER UND DU WILLST PÄNNÄN? DA HAB ICH MIR JA EINEN TOLLEN MANN GEANGÄLT! AMSTERDAM HAT DEN SECHSTGRÖSSTEN INDUSTRIEHAFÄN VON DER GANZÄN WÄLT. WAS KANN DENN JETZT WICHTIGER SEIN ALS SO EINÄ. EINMALIGÄ. INDUSTRIEHAFÄNRUNDFAHRT?

J: Na, Der Weltfrieden.

Y: DER WAS?

J: Der Weltfrieden.

Y: DAS HAB ICH AKUSTISCH SCHON VERSTANDÄN! ABER WAS HAT DAS MIT DEM WELTFRIEDÄN ZU TUN, WENN DU DA RUMLIEGST?

J: Joghurtschnäuzchen, wenn überall auf der Welt jetzt gerade alle Menschen noch ein bisschen liegen bleiben würden, dann wäre immerhin schon mal fünf Minuten Weltfrieden, oder?

Y: HM DA HAST DU WOHL RÄCHT!

J, erstaunt: Ja, wirklich?

Y: JA! LEG DICH RUHIG HIN! SCHNÄLL, BEVOR SIE WIEDER BOMBEN IRGENDWO REINSCHMEISSEN! LOS, SCHLAFÄÄN!

John ist sichtlich verwundert und schüttelt den Kopf und Yoko sieht ihrem Mann dabei zu, wie ihn der Kaltschaum zufrieden schmatzend in sich aufnimmt.

[bliep]

Werbeunterbrechung: Hallo Kids! Mein Name ist Dr.Mabuse und ich bin Zahnarzt. Immer wieder werde ich gefragt, wie man seine Zähne am besten vor dem abfaulen schützt. Leider fragen das die meisten Menschen erst, wenn ihnen die – sie verzeihen mir den Ausdruck – gammeligen Stumpen schon auf halb 12 aus dem Fressbrett hängen. Tja, blöd gelaufen.
Dabei ist die Lösung so simpel wie genial: Einfach zweimal täglich Zähneputzen. Wichtige und wertvolle Gesundheitstipps wie diesen erhalten sie jede Woche in der Apothekerbeschau. Ein erhabenes Magazin, gedruckt auf echtem Papier zum anfassen und zum riechen.Apothekerbeschau: Das Magazin für die Ewigkeit. Jetzt in jeder Apotheke

[bliep]

JOHN wacht auf und muss sich schütteln. das Zimmer ist berstend voll von
Menschen. es handelt sich um ein Rudel Journalisten, die das junge Paar keck mit ihren Digitalkameras anpirschen, Immer auf der Suche nach heißen Neuigkeiten zum aktuellen Weltgeschen. Drollig!

J flüsternd zu Yoko: Wer sind diese Leute?

Y leise schreiend: DAS SIND JOURNALISTÄN, JOHN!

J: Um Himmels Willen, wieso das denn? Ist das nicht gefährlich? Sind die Stubenrein?

Y: WIR MACHÄN JÄTZT KUNST JOHN!

J: Bittewas?

Y: KUNST! JOHN!

J: Ja das hab ich akustisch schon verstanden, Schmusekätzchen. Aber was hat das alles zu
bedeuten?

Y: WIR MACHEN EIN BED IN! WIR SIND ALSO QUASI IN THE BED DRINNEN, JOHN. UM ZU PROTESTIERÄN!

John ahnt worauf das ganze hinausläuft, reibt sich die Stirn und startet sein Morgendliches Yogaprogramm. Es beginnt mit dem Sandwurm.

J: Für den Weltfrieden, stimmts?

Y GENAU! DU BIST SOOOOOOOOOO. KLUG.

Das Rudel wird immer unruhiger. Die Jungtiere lechzen nach frischem Informationen, da tritt der Alpharüde hervor und beginnt zu investigieren. Ein Verhalten, dass in dieser Jahreszeit für ältere Journalisten übrigens vollkommen natürlich ist.

Journalist: Wuff! Guten morgen die Herrschaften, Wolfram Eschenacher von der Züricher Zeitung. Sie protestieren hier also für den Frieden?

J: Ja, naja … also demonstrieren … das war mehr so ‘ne kindliche Trotzreaktion …

Journalist: sehr interessant WUFFWUFFWUFF!. Und was soll das bringen? ist das nicht ein bisschen – verzeihen sie mir den Ausdruck – arrogant von ihnen? Dass Sie denken, dass sie durch herumlümmeln WUFFWUFF wirklich etwas verändern können?

Y säuselnd: Das ist nicht arrogant, sondern antiautoritär. Wissen sie, wenn nämlich alle Menschen einfach mal länger liegen bleiben täten, dann wäre ja auch auf der ganzen welt …

Journalist: HAHAHAWUFFWUFFWUFF sind sie nicht putzig?

Das Rudel, das bisher still zugehört hat, kann sich vor Bellen nicht mehr halten. Zwei Jungtiere, die wohl Ihren Platz in der Gruppe behaupten müssen, brechen aus der Gruppe
aus.

Jungjournalist Tim: TIm von der Bento hier, wüff. Wann wird endlich gebumst bei euch?

Jungjournalist Tom: Tom von Vice, kläffkläff. Genau! Wir brauchen Content!

Ein wilder Tumult bricht los. John und Yoko verschränken ihre Arme und bleiben regungslos sitzen. Den Journalisten wird klar, dass hier nichts weiter passieren wird und sie traben aus dem Zimmer.

J: Endlich sind die weg. Naja, dann können wir jetzt ja runter zum Früh…

Y: BIST DU DOOF? DU MACHST NOCH UNSER KUNSTWERK KAPUTT! DU BLEIBST SCHÖN LIEGEN!

J: Aber ich hab Hunger

Y: NICHTS GIBTS, DIE KUNST GEHT VOR. MEINST DU, JOSEPH BEUYS HÄTTE SICH AUS SEINEN KUNSTWERKEN ERST EINMAL EIN SCHMALZBROT GEMACHT, NUR, WEIL ER EIN BISSCHEN HUNGER HATTE? NEIN HÄTTE ER NICHT! ER HAT GETAN
WAS GETAN WERDEN MUSSTE! NÄMLICH KUNST. SO!

J: Is’ ja gut mein Zitronenfalter. Dann warte ich eben noch bis … wie lange soll dieses

Kunstwerk denn überhaupt stehen?

Y: EINE WOCHÄ. UND TAGSÜBÄR KANN MAN VORBEIKOMMEN UND SICHS
ANSCHAUÄN!

J. Eine Woche? Tagsüber anschauen? Ach Rattenpups, das halte ich aber für gar keine gute …

Es klopft zurückhaltend an der Tür. Ein älterer Mann mit verschmierter Hornbrille steht im Türrahmen. Er heißt Mammut und hat einen Strauß Blumen dabei. Außerdem weint er ein bisschen, aber das tut er würdevoll.

Mammut: Ich hoffe ich störe nicht. Ich weiß, wie schwer das gerade für euch ist.

Yoko und John schweigen. Sie wüssten sowieso nicht, was sie jetzt sagen sollten. Der Mann hat offenbar seelische Schmerzen. Mammut schreitet auf das Bett zu und legt die Blumen und die Pralinen daneben.

Mammut: Ich wünsche euch, auch im Namen der Gewerkschaft, ganz ganz viel Kraft. Ihr schafft das!

Mammut nickt kurz und verschwindet möglichst schnell. Ihm war dieser Besuch offensichtlich etwas peinlich

J: Aha, und so sehen jetzt also unsere Flitterwochen aus oder was?

Da erschallen Schalmeien und ein kleiner Junge mit lustiger Frisur tritt in den Raum. Er stampft mit jedem Schritt fest auf und hat ein zusammengekniffenes Gesicht. Er denkt wohl, dass ihn diese Gesichtsartistik wütender aussehen lässt, aber unsere beiden
Friedensaktivisten deuten das als unschuldige Niedlichkeit.

J: Oh schön, ein Kind! Kinder sind unsere Zukunft! Komm doch her, kleiner Fratz!

Der Junge stapft entschlossen auf das Bett zu

Junge: So ihr beiden Spinner, jetzt steht schon auf!

J: Nanu? Ein Kunstbanause?

Y: Wie heißt du denn, Junge?

Junge: Ich bin der Präsident von den US von A!

J, kichert: Na sowas

Y: JOHN!

Junge: Halt die Fresse, du Hippiepenner! Nimm gefälligst deinen Präsidenten ernst!

J: Ich bin aber Engländer!

Junge: Mir reichts! es ist fünf vor 12 und ihr lümmelt da rum. Und ganz Amerika mit euch.

J: Ganz Amerika?

Junge: Ja, ganz Amerika! Die Wirtschaft ist am Boden! Nichts geht mehr. So traurig!

J verwirrt: Also bist du jetzt traurig oder die Wirtschaft?

Junge: Ich bin nicht hier um über Wirtschaft zu diskutieren! Fakt ist, dass Alles stillsteht, bis ihr endlich aufsteht.

Y: Aber das war doch der Sinn, das ist antiautoritärer Protest …

J: Ein Scheiß ist das! Ihr hört sofort damit auf! Ich halt jetzt so lange die Luft an, bis ihr aufsteht!

J: Nein tu das nicht! Sowas endet böse!

Der Junge hält die Luft an. Yoko und John sitzen da und schauen ihm beim Blauwerden zu. Einige Minuten vergehen bis der Junge endlich bewusstlos umfällt. Poff.

J, vergnügt: Wow, das ganze hat ja echt was gebracht! Und ich konnte tatsächlich noch fünf Minuten schlafen. Und irgendwie hat es ja doch auch ein bisschen Spaß gemacht.

Y: DAS WAR EIN VOLLER ERFOLG! LASS UNS DAS BALD MAL WIEDER MACHEN,

JOHN!

J: Wie könnte ich da nein sagen, meine kleine Schreischnauze?

MartinSchulz: Bernie und Wilson fragen Dich

Hallo!
Wir sind Bernie-Dominique und Wilson
Wir sind eine Giraffe und ein Faultier.
Bernie kackt jeden Tag. Wilson nur einmal die Woche.
Böse Menschen sagen, wir sind unsichtbar. Dabei sind die nur blind
Wir verstehen so vieles nicht. Zum Beispiel:
Warum hat man eigentlich mit alten Bäumen mehr Mitleid als mit jungen Bäumen aber mit jungen Menschen, die gefällt werden, mehr Mitleid als mit alten?
Hm. Du, sag mal: sind Soldatinnen eigentlich die besseren Mörderinnen?
Hm.
Wir wissen die Antwort.
Aber ihr müsst selber draufkommen. Hey, du. Was hat Gott eigentlich vor der Erschaffung der Welt gemacht?
Wir wissen die Antwort.
Stimmt doch gar nicht.
Sag mal: weinen Fische eigentlich Luftblasen?
Ich weiß die Antwort. Aber ich sags nicht.
Ne, ihr müsst selber draufkommen.
Psch. Warum gibt’s so wenig Liebe auf der Welt?
Kchhh. Sag mal: warum fressen Tauben eigentlich keine Hunde?
Hm. Weißt dus?
Wir wissens. Aber wir sagen es nicht.
Du. Können Igel bei Eichhörnchen überwintern?
Wir wissen die Antwort. Aber wir sagens nicht.
Ihr müsst selber draufkommen! Ätsch!