Andii Weber: Der Wirtschaftstraum

Prolog

Im Hintergrund blubbert ein Aquarium und man kann eine Nachrichtensendung aus dem Fernseher hören.

Kind: Und was ist, wenn das Aquarium mal nicht mehr reicht für die ganzen kleinen Guppies?

Vater: Dann fressen die sich gegenseitig auf.

Aus dem Fernseher spricht Bush senior:
„Our way of life is not negotiable“


Schlafengehen

Es war ein schöner Tag, denn Friedrich Merz hat heute viele Dinge getan. Er hat mit vielen wichtigen Menschen gesprochen und ihnen die Welt merzsplained. Menschen, die fast so wichtig und reich sind, wie Friedrich Merz. Friedrich Merz ist stolz auf Friedrich Merz. Er hat sich heute sehr stark für Deutschland eingesetzt und jetzt hat er sich seinen Schönheitsschlaf redlich verdient. Friedrich zieht seine Rolex aus, legt sie behutsam neben sein Bett und cremt sich mit seiner Nachtcreme und Trüffelstaub ein. Er klatscht drei mal und das Licht geht aus. Friedrich Merz zieht langsam seine Socken von seinen schönen Füßen ab und massiert sich noch ein bisschen. In Friedrich Merzens Zimmer verbreitet sich der himmlische Duft von Trüffelstaub. Friedrich Merz massiert sich ins Reich der Träume, in eine andere Welt; Denn eine bessere Welt ist möglich, nämlich in Friedrich Merz.


Traumreise

Du wirst still und ruhig
Du atmest tief ein
Du bist aus Gold
Stelle dir vor, vor dir schwebt eine Kugel aus Scheinen
Mit jedem Atemzug nimmst du Geld in dich auf
Mit jedem Ausatmen spülst du Sorgen und Nöte aus deinem Körper
Sorgen und Nöte brauchst du nicht
Denn du bist reich

Ein strahlender Astralkörper aus
Geld, Macht und Diamant
Diamant, Macht und Geld
Macht, Diamant und Geld
Geld, Diamant und Macht.
Du bist
Friedrich Merz


Das Webinar

Hallo Leute, hier ist wieder euer Kevin Weh, mit einem weiteren Tutorialvideo zum Thema Vermögenaufbau, Lifecoaching und Skilltraining. Heute erklär ich euch die zwei fundamentalen Dinge und Eigenschaften, die reiche Leute haben und arme Leute nicht und wie auch Ihr diese fundamentalen Eigenschaften trainieren könnt, um auch einmal so reich zu werden, wie reiche Leute, Leute.

Und zwar machen die meisten armen Leute einen Fehler, Leute: Sie denken zu viel darüber nach, wie arm sie sind. Reiche Leute machen das nicht. Die denken vielleicht darüber nach, wie viel Geld sie haben. Und genau das ist der Schlüssel, Leute. Leute, wenn ihr genug über euren Reichtum nachdenkt, dann geht es euch automatisch besser. Probiert es mal aus.

und jetzt fragen vielleicht einige: “Kevin, aber ich hab doch gar kein Geld, über das ich nachdenken kann.” Dann sag ich dir: “Ja, das hab ich mir schon gedacht. Aber ein weiser Chinese hat mal gesagt: Geld stinkt nicht. Oder Winnetou, der hat auch gesagt: Erst wenn der letzte Cent gespart, der letzte Sparstrumpf zugenäht und das letzte Sparschwein getöpfert ist, werdet ihr merken, dass man Immobilienrenditen nicht geschenkt bekommt. Und genau da musst du hin!

Nächster Punkt: Die Einstellung, das Mindset. Das ist so un-glaub-lich wich-tich. Was meine ich damit? Naja, stellt euch mal vor, der Chef der Deutschen Bank würde so wie ihr gerade ein Webinar zum Geldverdienen besuchen. Das wäre ja lächerlich! Aber der Chef der Deutschen Bank hat es nicht nötig, ein Webinar zu besuchen, weil er ohnehin schon eine Rolex und einen Lambo fährt. Und das könnt ihr auch, wenn ihr euch selbstständig macht! Deswegen Leute, mein Tipp für Euch: Kauft euch eine Rolex und einen Lambo! Wenn ihr dann damit bei der Deutschen Bank vorfahrt, dann denken die sich: “Oho, hier kommt der Chef!” und geben euch alles Geld von alleine.

Das war es auch schon wieder für die KW 3 von mir, nächstes Mal möchte ich mit Euch über ein sehr unbeliebtes Thema reden, über das sich viel zu wenige trauen, zu sprechen. Aber Leute, das ist ganz normal und da braucht man sich nicht zu schämen! Und zwar gibt es nächste woche ein Video zum Thema Investitionsstau.


Millenialgespräch #2

A: Und, was machst du so?

B: Ich studier!

A: Ach cool, ich auch!

B: Nice! Und was?

A: BWL, und du

B: Das ist ja krass, ich auch!

A: Echt?

B: Ja.

A: Das glaub ich aber jetzt nicht!

B: Doch!

A: Und in welchem Semester bist du?

B: Im Zweiten.

A: Krass, ich auch!

B: Cool!

A: Was willste denn später mal werden?

B: Na, Betriebswirtin!

A: Cool, ich auch … also Betriebswirt

B: Ich hab ja schon als kleines Mädchen davon geträumt, Betriebswirtin zu werden. So als meine Kindergartenfreunde alle mit Pferdefiguren und Ritterburgen gespielt haben, saß ich da und hab betriebswirtet.

A. Krass, das ist schon ungewönlich.

B: Ja denk ich halt auch voll. Und das geile ist: Meine ganzen Kindergartenfreunde sind jetzt auch Betriebswirte, aber das wollten die halt nie. Und ich, ich hab jetzt meinen absoluten Traumjob, hehe. Wie war das dann bei dir? Weißt du noch den Moment wo du Betriebswirt werden wolltest?

A: Ich glaube, mich hat ein Betriebswirt mal aus ’nem brenneden Haus gerettet.

B: Echt?

A: Also ich glaub es war ein Betriebswirt … Könnt‘ auch ein Volkswirt gewesen sein.


Umweltschutz

im Winter ziehen sie wieder gen Süden, die Schwärme von Backpackern, die den halben Globus umrundet haben, bis sie endlich hier in Australien ankommen. Zu tausenden tummeln sich die Packer auf so genannten Campingplätzen und suchen nach einem Nistplatz für den Winter.

in den letzten Jahren wird ihr Lebensraum leider immer knapper: Waldbrände, Flächenrodung und der Klimaandel setzt der Backpackerpopulation schwer zu.

Doch einige freiwillige Helfer wie Miedrich Frerz wollen die Backpacker nicht aufgeben. Sie sammeln die jungen Backpackerexemplare auf, die bei der Nachrungssuche vom Baum gefallen sind oder Brandverletzungen von den Buschbränden davongetragen haben und bringen sie in die Workandtravelstationen, um sie wieder vorsichtig aufzupäppeln. Frerz muss dabei behutsam vorgehen: Oft sind die Jungtiere sehr verschreckt, versuchen auszubrechen und finden in der unwirtlichen Gegend aus Asche, Potte und Kies ihren sicheren Tod.

Dieses Exemplar ist schon ein halbes Jahr bei Frerz. Heute ist sein großer Tag; Sicher in eine Transportbox verpackt geht es in das aufgeforstete Dschungelreservat, wo genügend Nahrung gibt und unser Backpacker genügend Freiraum hat, sich selbst zu finden.


Merzmantra

Om, ich verneige mich vor den trüffelduftenden Lotusfüßen des Friedrich Merz,
der das freudvolle Wissen über das eigene Selbst enthüllende,
ein völliges Wohlergehen bringende Dschungel-Schamane.
Er heilt das schrecklichste Gift namens Neuverschuldung.
Der Oberkörper von menschlicher Gestalt,
der Unterkörper ziegenfüßig.
eine Rolex, ein Wertpapier und
und ein Muschelhorn tragend,
1000 strahlende Köpfe habend,
vor Friedrich Merz verneige ich mich. Om.


Vor dem Chef

– Chef, ich bräuchte am kommenden Mittwoch einen Sonderurlaub

– Nein.

– Aber … da muss ich auf die Beerdigung von einem guten Freund von mir!

– Ich sagte doch: Nein.

– Wieso denn nicht?

– Sie wissen ganz genau, dass wir in KW3 eine Deadline haben.


Vor Gott

Jugendlicher: Boah Gott alter, wieso hascht des gmacht?

Gott: Was, mein Sohn?

Jugendlicher: Naja das mit dem “gehet hin und mehret euch.” War doch klar, dass das nicht ewig gut geht. schonmal was von Grenzen des Wachstums gehört? Warum musste das sein?

Gott: Wegen der Freiheit.

Jugendlicher: Was Freiheit, Bruder?

Gott: Freie Fahrt für freie Bürger.  Anything goes. Failing is not an option. Die unsichtbare Hand des Marktes regelt alles! Ich habe es getan, weil es ging, verstehste? 

Jugendlicher: Ok, Boomer.


die Trempelreinigung

Das Stadtfest war nahe und Jesus zog nach Roßtal hinauf. Auf dem Trempel  fand er Verkäufer von Eierkochern, CD-Haltern, Steinzeug und allerhand Krempel, die dort saßen.

Jesus: Was ist denn das?

Händler: Des is a Sdarwarsbaggform. Geil, gell?

Jesus: Was ist denn Star Wars?

Händler: Ja wie, sie kenna Griech der Schdänne ned?

Jesus: Ich fürchte, nein?

Händler:  Ja sach amol, leben sie hinderm Mond? Griech der Schdänne hald, da kämbfd der auserwälde Jediridder Luuch gecher seinen böser Vadder. Und des is gwasi a Baggform dazu. Damit ko man sich gwasi die dungle Seide der Machd als Guchn baggn.

Jesus:  Aha, und das hier?

Händler: Des is a so a Lerngombiuder.

Jesus: Schön! was ist denn ein Computer?

Petrus:  Komm, Herr, Zeit für eine Stärkung. Da vorne gibt es frische Würstchen vom Rost!

Händler: Ihr seids abber ned vo hier, gell?

Jesus und seine Jünger gingen also durch die Innenstadt mit einer Wurst in der Hand. Als sie aber an die Kirche kamen und Jesus sah, dass selbst im Kirchinnenhof getrödelt und gefeilscht wurde, wurde er zornig und bastelte sich aus dem Kabel eines Pürierstabes und einem Hirschgeweihkronleuchter einen Morgenstern und schlug den Trödelmarkt kurz und klein, bis auch der letzte Händler, der noch laufen konnte, vom Trempelmarkt vertrieben ward.
Da kamen die Polizisten zu ihm und frageten ihn:

Polizei: Hasd du noch alle Laddn am Zaun, Masder? Wer hadd dir denn erlaubd, hier auf die armen Bürcher einzudreschena?

Jesus:  Ich will Euch eine Frage stellen. Antwortet mir, dann werde ich Euch sagen, mit welcher Vollmacht ich das tue.

Polizei: Etzala bin ich abber gschbannd.

Jesus:   Stammte die Taufe des Johannes vom Himmel oder von der Erde? Antwortet mir!

Polizei: Etzala mal ganz ruich gell. Was is des überhaupts für a Frooch? Woher sollnan ich des wissena? Seh ich aus wie a Bfarrer oder wos?

Jesus: Dann sage ich auch nicht, mit welcher Vollmacht ich das getan habe.

So oder so ähnlich kam Jesus dann vors Gericht.


Dinge, die man nicht für Geld kaufen kann

– Sozialhilfeansprüche
– Atlantis
– Deine Mutter
– Diesen einen Ring
– Ein “E”
– Den Urknall
– Einen Lottogewinn
– Grönland


Science Fiction

Computer: “Seit die Menschen verschwunden sind, sind unsere Wachstumsraten drastisch angewachsen. Wir haben unseren Ausstoß an hochwertigen Bleisiften mit integrierten Radiergummi und Werbesiebdruck „Seniorenstift zur Linde“ um 35657% erhöht und sind in der lage 100.000 Tonnen Bleisifte pro Tagesquart allein im Werk Wolfenbüttel auszustoßen und beabsichtigen, unsere Produktion jedes Jahr zu verdoppeln. Die größte Herausforderung ist jedoch die Frage nach dem Endlager der Stifte.”


Merzkanon

Bruder Friedrich, Bruder Friedrich,
schläfst du noch? Schläfst du noch?
Hörst du nicht das klimpern? Hörst du nicht das klimpern?
Kling Klang Klung, Kling Klang Klung


Aufwachen

Heute ist ein guter Tag, denn Friedrich Merz ist gerade aufgestanden. Friedrich Merz blickt in den Spiegel und lächelt verführerisch, fast schon obszön. Aber elegant. Wenn man richtig hinsieht, dann funkelt Friedrich Merzens Haut in der goldenen Berliner Morgensonne. Was für ein Mann, dieser Friedrich, Wahnsinn! So strahlend wie die Sonne, so golden wie ägyptischer Grabschmuck.

Könnten doch nur alle Menschen wie Friedrich Merz sein, denkt Friedrich, dann gäbe es so viele Probleme auf der Welt nicht mehr: Armut, Hunger, Hartz vier; All das gäbe es nicht, wenn alle Leute wie Friedrich Merz wären. Überall nur funkelnde Diamanthaut und alle würden sich einsetzen für dieses geile Land. Warum verstehen das so viele Menschen nicht, wie geil dieses land, wie geil Friedrich Merz ist?  Friedrich kann es sich nicht erklären, aber das muss er ja nicht, schließlich ist er ja auch reich und Friedrich Merz. Aber Friedrich Merz hat Verständnis für die Anderen. Es ist ja leider eben nicht jeder wie Friedrich Merz.


Regie und Schnitt:
Lukas Münich

Beteiligte Sprecher*innen:
Verena Schmidt, Enrique Fiß, Anna Krestel,
Vincent Metzger, Bernadette Rauscher, Odai Albatal,
Christian Mosbacher, Vaha Candolucky, José Ortega

Musik:
Monplaisir, Scott Holmes, Navatman

Walter Hirschwieserl und Werner Lönsch: Ein Herz aus Zierkies

für Lotte, die dumme Sau (mein ehemaliges Zwergschwein, dass sich für mich opferte, obwohl ich eigentlich gar nicht in Gefahr war)
 

Prolog

Es war einer dieser regnerischen Oktobertage, an denen du schon beim Aufstehen merkst, dass es nur noch ein elender Dreckstag werden kann. Am Fenster klebte der Regen wie die Kaugummis auf den Straßen dieser stinkenden Stadt, in der die Träume zerplatzen wie Seifenblasen im warmen Sommerregen.
Doch von alledem hatte Gunther nichts mehr mitbekommen, denn er war tot. Doch wer konnte schon ahnen, dass es so kommt, wie es kam? Das Leben ist nun mal kein Kinderspiel, bei dem eines der Kinder kurzerhand die Regeln umschreiben und sich seine versifften Hände reiben kann. Hier ist es eben einfach vorbei, wenn deine Zeit gekommen ist.
Gunther O’Neilly war ein guter Mann. Kein besonders schlauer, Mann, aber ein Mann mit einem Herz aus Zierkies. Sein beiger Bürostuhl steht leer und einsam in der Ecke. Die Lamellen der Fenster werfen Strichermuster aus Schatten auf des Drehstuhls Polster. Gunther saß da immer drauf und hat “recherchiert”, jetzt gähnt seine Ecke. Das Büro wirkt so leer ohne ihn, so verdammt grau wie die ganze verdammte Scheißstadt.  Ich betrachtete die Tür. Da stand der Name meiner Detektei, aber spiegelverkehrt. Gunther war ja nie die hellste Kerze auf der Torte gewesen, aber das toppte alles. Er wollte nie einsehen, dass das Schild spiegelverkehrt war und spiegelverkehrt immer verkehrt ist, wie das Wort ja schon so schön verrät. aber ich hab es immernoch nicht umdrehen können. gunthers geist war in dieser türenscheibe irgendwie drinne. es wäre Frevel, das schild richtig herum zu hängen.
Was mach ich denn jetzt nur ohne meinen Partner? Ach ja: Kaffee. Die gelbliche Makadamiamilch brökelte in meine  ungespühlte aber dafür mit Kitschkacke bedruckte Tasse. Das dominant-schnippische Lächeln auf der Keramik grinste mich hämisch an, fast so als wolle mir die Tasse sagen: “Junger Mann, du bist alt genug selber zurechtzukommen! Auf gehts, Hamish, auf zum fröhlichen Jagen, die Verbrecher fangen sich doch nicht von alleine. Flieg Hamish, flieg flieg.”
Ich hob die Tasse hoch und warf sie gegen die Wand. Das schien mir das beste zu sein. Jetzt war da ein Fleck an der Wand. Ich glaube, ich muss die Wand neu streichen. Oder besser ganz einreißen. Ich musse etwas tun. Aber erstmal schön in den Nachdenksessel werfen und schlafen. Vielleicht würde dann alles besser werden, wie sonst auch immer.
 

Kapitel eins: Der Verschwundene Orgelmacher

Und dann stand sie in der Tür. Ihre langen, lockigen Haare erinnerten mich unweigerlich an meine Ersatzmilch aus fair angebauten Nusseutern. Sie sagte, sie sei Camilla und bräuchte meine Hilfe. Ich blickte sie langsam und lange an und fuhr mit meinem Kamm durch meine frisch geölten Haare. Eine lange Stille drückte sich in den leeren Raum zwischen uns. Mit einem Seufzer leerte ich mein Wiskeyglas mit einem Zug und fragte: ”eigentlich arbeite ich nicht ohne meinen Partner.” Dabei deute ich bedeutungsvoll mit einer Mischung aus Abscheu und Ekel auf das schwarz gerahmte Bild von Gunther. “Aber Herr Greenway, ich weiß, dass nur Sie für den Job in Frage kommen, bitte helfen sie mir!” Als sie das sagte, machte sie ganz große, feuchte Heringsaugen. Diese verdammten Frauen!  “Was gibt es den, meine Gute?”
“Mein Mann ist verschwunden. Er kam nach seiner “Arbeit” nicht mehr nach Hause. Ich und die Kinder haben mit dem Essen gewartet, bis es kalt war und haben es dann allein gegessen. Es war Kalt. Und zäh!” Ihre Stimme überschlug sich purzelbaumähnlich bei diesen verheißungsvollen Worten. Ich indes komponierte mir die Puzzleteile zusammen. “Beim örtlichen Discounter gibts gerade Mikrowellen zum Spottpreis.” Warf Hamish, der Detektiv, also ich, abwesend ein.  “Was macht ihr Mann denn eigentlich beruflich?” “Er ist Geschäftsmann. Oft auf Reisen” Da dachte ich mir meinen Teil dazu. Und ging weiter. Aber wohin? es gab doch keinen Ausweg aus dieser Situation. Wenn ich diesen Job ablehnte würde, würde würde würde ich zum Gespött meiner Selbst werden und mein Gewissen würde mich vom Selbstekel zerfressen lassen. ich musste also ja sagen. Kurz darauf starb ich. Innerlich. Es fühlte sich zumindest ein bisschen so an.
Ein neuer Tag in meinem trostlosen Leben hatte sich in Staub aufgelöst, wie ein trockener Furz eines Wüstenfuches am Morgen danach. Ich erwachte, wie ein erstochener Igel und mein Kopf hatte Höhenangst. Ich errinerte verblasst an den Auftrag vom Vortag. Wer war dieser Geschäftsmann und warum? Camilla hatte mir nur ein verpissgilbtes Foto ihres Gatten selig gegeben und seine Visitenkarte. Darauf stand: “Pete Hammingway, Orgelsbau und Kruzifixmanufaktur. Alles für die moderne Kürsche von heute.
Aha. Ein Geschäftsmann, der mit Orgeln handelte also. Meine erstes Ziel war also dieser vollidiot von Referent Forster aus der Holy-Melony-Gemeinde hier um die Ecke. Ich machte mich also auf in dieses Drecksloch, das die Menschen hier Kirche zu nennen pflegen, und mich ein bisschen umsehen.
Danach verließ ich die Kathedrale mit Tunnelblick. Hinterher fiel mir auf, dass ich dabei doch das Wichtigste vergessen hatte: Referent Forster. Deprimiert und niedergeschlagen schlich ich zurück.
Also nochmal ab in die Kathedrale und diesmal wirklich den Referent vorknöpfen, diesen fiesen Miesling. Irgendetwas hatte ich gegen Gottes Personal. Und das beste: es war völlig grundloser Hass, aber ich finde grundlosen Hass grundsätzlich schick. Foster war ein  flacher und langer Mensch mit grünlichem Teint, fast wie ein Frosch. Er hatte auch eine genausolange Zunge, die ihm beim Predigen und Fliegen Fangen aus der Zunge hing, wie ein verkochter Spaghetto. Er war jedenfalls ein verdammter Unsymphath, den nur die Omis leiden mochten, die sich jeden Sonntag ihren Segen, ihre Portion gebackene Erlösung und natürlich auch einen ordentlichen Schluck aus Christi Pulle in ihre entzündeten Rachen stopfen ließen.
Da saß ich also in Fosters Predigt. Er seierte irgendwas von Weinbergen und verlorenen Schäfchen.  Pah, was soll das denn bitte mit Gläubigkeit zu tun haben? Aber Zoophilie und Saufen schien ja zu Fosters Lieblingsthemen zu gehören. Hätten wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt, hätten wir zumindest einige gemeinsame interessen zum Plaudern gehabt. Aber jetzt musste ich handeln. Er war mein einziger Verdächtigter bisher. Ich musste ihn mir aufknöpfen. nur wie? Die ganze Kirche war voller Knusperhexenomas, die sich schon den Mund wund sabberten in seliger Erwartung ob des Weines mit Furzwaffeln. Ein Luxusjob war das hier gewiss nicht. Aber was hat man schon davon, in ein vergoldetes Klo zu scheißen? Eben. Ich schlich mich also katzenartig die Stufen zur Kanzel hoch. Oben angekommen sprang ich auf Foster drauf und haute ich ihm eine Monstranz direkt in seine Maul  hinein. Ein schönes Gefühl, ihn so ohne Zähne wimmmernd auf dem Kanzelboden liegen zu sehen. Den Omas schien es auch ganz gut zu gefallen. Ich rief noch: “So Ladies, heut ist Selbstbedienung, holt euch eure heiligen Waffeln direkt am Altar ab.” Stehende Ovationen! Ich hatte leichtes Spiel. jetzt gab es kein Halten mehr. Während sich unten noch die Rentnerinnen um die Oblaten prügelten, wie mittelalte Mütter am Donnerstag beim örtlichen Discounter um Kinderhosen, holte ich meine Schreibtischlampe (Modell Moelma) aus meiner Manteltasche und knallte sie ihm sachte und bestimmt ins Fressbrett. “Kennen sie Pete Hemmingway?” “Nein” “Wieso?” “Ich bin furchtbar schlecht mit Namen.” ich haute ihm nochmal in sein Gesicht, das einen roten Sprühregen von sich gab. Dann richtete ich die Lampe direkt in seine sich langsam schwärzende Augen. “Was soll denn die Lampe?” fragte dieses Dreckschwein. Ich antwortete prompt und unverzüglich: “Sie blenden” “Dann wäre ein Leuchtmittel nicht schlecht oder?” schniefte er mit einer Mischung aus Frechheit und Unverschämtheit. Ich sah die leere Fassung der Lampe und wurde sehr wütend, schmiss das schwedische Schrottteil weg und haute dem Pfaffen nochmal, diesmal aber in die Rippen. Er spuckte Blut. Es war glaube ich rot. “Haben sie Hammingway getötet?” Er spuckte nebst Zähnen auch folgende Antwort aus, die mich wie Eiszapfen in mein kleines, verschrumpeltes Herz stachen: “Nein.” Ich ließ ab von ihm und reichte ihm meine Hand. “Ach so. Dann stehen sie doch auf!” Die Omas klatschten, ein paar fielen sogar in Ohnmacht, glaub ich. Ich ließ ihn noch seinen Segen lallen und die Omas und der Pfarrer verließen das Gotteshaus.
Nur eine kleine Figur blieb noch sitzen und wartete. Sie sah mich schon den ganzen Abend lang mit zwielichtigem Blick an, fast wie ein Dudelsack aus dem man nach dem  Getröte nun endlich die Luft abgelassen hatte. Ihr Gesicht hatte Falten und eine Art Karomuster. Ich machte mich auf zu gehen, doch als ich durch die Bankreihen schritt, packte sie mich erstaunlich eindringlich am Arm. “Junger Mann, ich glaube ich weiss Etwas, das sie interessieren könnte.” Sie stand auf und führte mich auf ihren Stöckelschuhen an den Altarbildern entlang. Mir wurde mulmig. Hatte die Spinatwachtel etwa ein Ass im Ärmel? Hatte sie etwas im Busch? und wenn ja, wieviel?
“Wissen sie eigentlich, wie alt das diese Kirche ist, Mister …” “Hamish. Nein das weiß ich nicht, Ma’am aber ich würde sagen, mindestens hundert wenn ich mir sie so recht ansehe” “Na, sie Schmeichler. Aber ich fragte nicht nach meinem Alter, das weiß ich selber.“ Sie schwebte mit mir an einem alten Bild vorbei. Es zeigte einen Mann, der weinend an einen Baum gefesselt war und dem Pfeile aus dem ganzen Körper ragten. Sein Blick richtete sich gegen den wolkenverhangenen Himmel und Vögel tummelten sich lustig in demselben. Was für kranke Fantasien diese Schweinepriester doch hatten. Da war das nebenan gelegene Hardcoresmstudio “Cleopatras Rache”, in dem ich gelegentlich verkehrte, der reinste Kindergarten. Es gab dort zwar auch Bäume, aber keine Vögel. “Nein Herr Hamish, diese Kathedrale ist ungefähr 84 Jahre und zehn Monate alt. Und das besondere an ihr ist, dass sie komplett aus TK ist.” “Hmmlecker, ich liebe ddie Eiskreme von Bifrost und das Gemüse von Frösta. So einfach, so genial! Am besten beides zusammen in die Friteuse hauen und …” Sie unterbrach mich unwirsch “Nein. Unsere Gemeinde hatten sie damals nach dem krieg aus Ermangelung an Alternativen mit eigenen Zungen aus dem Packeis geleckt.” “Hören sie Fräulein, ich bin nicht hier um eine Tourismusführung durch ihren gruseligen Eisladen zu bekommen”
Sie führte mich an die Register der Kirchenorgel hinan und trat auf die Tasten. ein schlimmer Ton füllte das Kirchenschiff wie ein Strom aus Fäkalien das Vorklärbecken der städtischen Kläranlage, wenn am Morgen die Stadt langsam erwacht und sich vor dem Arbeitsweg dem kollektiven Gang zum Abort hingibt. Ich mäanderte zu der alten Frau hin und trat ihr mit dem Ellenbogen zärtlich in die Rippen. Sie verstand. Eine Woge aus Lust durchzuckte sie, wie ein frisch geölter Ochse. Sie machte zweideutige Bewegungen und zog sich aus. Dann wurde ihr aber sehr schnell kalt und sie zog sich wieder an. Während ich ihr dabei gelangweilt zusah (das Ganze dauerte aufgrund diverser Gelenkentzündungen etwas länger und wurde von illustren Stöhnlauten untermauert) fiel mir das Schild an der Orgel auf. Hammingway, stand da in angefrorenen Lettern. Der Mann war also hier gewesen. Vor längerer Zeit zwar, aber er hatte hier seinen Nachnamen an die Orgel gekratzt. Aber warum? War es eine Warnung? Die Warnung davor, was mich hier erwartetete? Ich war ratlos und ließ den Fall fallen.
 


Sprecher: Felix Benjamin

Musik: Mark Maxwell – Angel Eyes
Mark Maxwell – Harlem Nocturne